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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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traurig», sagte sie, «einen Koreaner zu sehen, der weder Frau noch Freundin hat, die ihm sagen, dass er diesen Dreck nicht trinken soll.» Sie hob ihre Tasse Gerstentee, als wollte sie ihm eine gesündere Alternative zeigen.
    «Ich glaube, er ist gar nicht aus Korea», sagte ich zu Eunice. «Meinem Äppärät zufolge kommt er aus Shanghai.»
    «Ach so», sagte sie. Kaum waren die Blutsbande zum einsamen asiatischen Cola-Trinker abgeschnitten, erlosch ihr Interesse.
    Als wir nach Hause gingen, die Mägen voller Knoblauch und Chili, um uns herum die Sommerhitze, in uns die Hitze von scharfen Pfefferschoten, die beide auf unsere Leiber einen schönen Schimmer legten, begann ich über das zu grübeln, was Eunice gesagt hatte. Ihrer Ansicht nach war es traurig, dass der Asiat keine Frau oder Freundin hatte, die ihn ermahnen konnte, keine Cola zu trinken. Einem erwachsenen Mann musste
gesagt werden
, wie er sich benehmen sollte. Er brauchte die Gegenwart von Frau oder Freundin, um seine niedersten Instinkte zu bändigen. Was für eine monströse Missachtung der individuellen Selbstbestimmung! Als würden wir nicht alle bei Gelegenheit nach einem Tropfen künstlich gesüßter Flüssigkeit auf der Zunge lechzen.
    Doch dann versuchte ich, das Ganze aus Eunice’ Blickwinkel zu betrachten. Die Familie war immerwährend. Ihre Bande konnten nie zerrissen werden. Du achtest auf die anderen deines Stammes, und sie achten ebenso auf dich. Vielleicht war
ich
nachlässig gewesen, hatte mich zu wenig um Eunice gekümmert, sie nicht korrigiert, wenn sie knoblauchig frittierte Süßkartoffeln bestellte oder einen Milchshake ohne den erforderlichen Vitaminzusatz trank. Hatte sie nicht erst gestern, als ich unseren Altersunterschiedansprach, ganz ernsthaft gesagt: «Du darfst nicht vor mir sterben, Lenny.» Und dann, nach kurzem Nachdenken, hinzugefügt: «Bitte versprich mir, dass du immer auf dich aufpassen wirst, auch wenn ich nicht da bin, um dir zu sagen, was du tun sollst.»
    Als wir nun so die Straße entlangliefen, unser Atem von
kimchi
und sprudeligem
OB
-Bier schwer, begann ich unsere Beziehung zu überdenken. Ich fing an, sie mit ihren Augen zu sehen. Wir waren einander nun verpflichtet. Unsere Familien hatten uns im Stich gelassen, und jetzt mussten wir eine ebenso starke und haltbare Verbindung miteinander knüpfen. Jede Distanz zwischen uns hieß Versagen. Erfolg hieße, dass keiner von uns beiden mehr wusste, wo der eine aufhörte und der andere begann.
    Mit diesen Gedanken im Hinterkopf kroch ich auf sie, als wir zu Hause waren, und presste mich mit großer Dringlichkeit an ihr Schambein. «Lenny», sagte sie. Sie atmete sehr rasch. Ich kannte sie jetzt einen Monat, und immer noch hatten wir unsere Beziehung nicht vollzogen. Was ich als Beweis großer Geduld und traditioneller Moral meinerseits betrachtet hatte, schien mir nun wie ein Versagen auf der Bindungsebene.
    «Eunice», sagte ich. «Meine Liebste.» Doch das klang nach zu wenig. «Mein Leben», sagte ich. Eunice hatte die Beine gespreizt und versuchte, mich aufzunehmen. «Du bist mein Leben.»
    «Was?»
    «Du bist   –»
    «Schhh», sagte sie und rieb meine bleichen Schultern. «Still, Lenny. Sei still, mein süßes, süßes Thunfischhirn.»
    Ich bohrte mich weiter in sie hinein, versuchte an einen Ort zu gelangen, von dem ich nie wieder weggehen würde. Als ich dort ankam, als ihre Muskeln sich spannten undmich festhielten, als ihr Schlüsselbein heraustrat, als das spektakuläre Dämmerlicht des Frühsommers in meinem einfachen Schlafzimmer explodierte und sie vor Lust – so hoffte ich – stöhnte, da erkannte ich, dass es in meinem Leben mindestens zwei Wahrheiten gab. Die Wahrheit meiner Existenz und die Wahrheit meines Ablebens. Mein geistiges Auge schwebte in die Höhe, und ich sah meine kahle Stelle am Hinterkopf und darunter die kräftigen Ranken ihres schwarzen Haars, die sich über drei stützende Kissen ausbreiteten, sah ihre starken, lebendigen Beine mit den Halbmonden ihrer Waden und, dazwischen verankert, meine kalkweiße Masse, festgehalten fürs Leben. Ich sah den gebräunten, knabenhaften Körper unter mir, die noch frischen, von der Sonne aufgeweckten Sommersprossen, die hellwachen Brustwarzen, die wie feste kleine Kapseln zwischen meinen Fingern waren, und ich spürte die Melodie ihres knoblauchsüßen, leicht säuerlichen Atems – und da begann ich mit der Beharrlichkeit, die bei sechs Jahre älteren Männern zu Herzinfarkten führt,

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