Superdaddy: Roman (German Edition)
war noch nichts gegen Richard Clayderman mit seiner Ballade pour Adeline . Und Toni Holidays Fluch: Tanze Samba mit mir. Und dann wunderten sich die Leute, warum Rex Gildo in den Tod gesprungen war.
Hossa!
Seit meine Sendung lief, hatten die Journalisten eine neue Standardfrage. »Herr Kirschbaum-Vahrenholz«, fragten sie, »vor einem Jahr spielten Sie noch vor dreißig Leuten im Gemeindezentrum Bokholt-Hanredder. Jetzt sind Sie mit Ihrer eigenen Superdaddy-Show für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Wie fühlt sich das an?«
Ziemlich dämliche Frage. Natürlich schwebte ich. Natürlich machte ich Luftsprünge, wenn mich keiner sah. Und natürlich fragte ich mich oft, in welchen Film ich geraten war. Es kamen nicht mehr vierhundert Leute. Es kamen achthundert. Ich spielte nur noch in Hallen. Für die nächste Tour plante Hotte eine Videoleinwand, auf der mein Gesicht zu sehen sein würde, acht Meter hoch.
»Haben Sie nicht wahnsinniges Lampenfieber«, fragten die Journalisten weiter, »plötzlich jeden Abend vor so vielen Leuten zu spielen?«
Ich lächelte dann verlegen. In Wahrheit hatte ich bei Live-Auftritten überhaupt kein Lampenfieber mehr. Denn es ist ein Leichtes, achthundert Leute zu euphorisieren, die dichtgedrängt nebeneinandersitzen und vierundvierzig Euro für das Ticket bezahlt haben. Noch einfacher wird es bei dreitausend Leuten und fünfundfünfzig Euro. Auf der Bühne erholte ich mich. Und vergaß die Anstrengungen des Tages. Denn sosehr ich auch gegensteuerte: Alles andere geriet außer Kontrolle.
Im November war die Show angelaufen. Im Dezember hatten die ersten Nebenwirkungen begonnen. Ich wurde auf der Straße erkannt. Bei den meisten war das kein Problem. Sie guckten eine halbe Sekunde hin, erkannten mich und sahen sofort wieder weg. Sie wollten mich nicht merken lassen, dass sie mich erkannt hatten. Die allermeisten. Das Problem waren die restlichen fünf Prozent, Typ Rheinländer. Die gingen mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich zu und jubeln: »Superdaddy?« Im Café. Bei Alnatura. Und vor sechs Wochen in der Umkleide der Hotelsauna in Würzburg. Ein alter Fettsack entdeckte mich, zeigte mit dem Finger auf mich und rief: »Bist du nicht dieser Witzbold?« Über zehn Meter Entfernung. Nackt. Als ob ich diese Fernsehkarriere nur gemacht hätte, um ihn persönlich kennenzulernen. Deswegen trug ich jetzt auch im März eine Sonnenbrille. Im Café. Und bei Alnatura. Aber in der Sauna?
Im Januar trat Lasse beim Regionalwettbewerb Jugend Musiziert an. Um den Samstag zu sperren, lieferte ich mir mit Antonia LaGuardia, meiner Chefin bei ProSechs, eine wochenlange E-Mail-Schlacht, die mich zehn schlaflose Nächte kostete. Lasse gewann natürlich und trat im März beim Landeswettbewerb an. Ich wollte keine neue E-Mail-Schlacht und fragte gar nicht mehr an. Wir zeichneten an dem Tag in München auf, ein rothaariger Schlachter aus Niederbayern wurde Germany’s next Superdaddy , und Lasse gewann auch ohne mich. Er rief mich abends an. Das waren die Momente, in denen ich meinen Beruf verfluchte. Hätte ich das den Journalisten verraten sollen?
Im Februar begannen die Hotte-Touren. Und das hieß: Mittwoch Regensburg, Donnerstag Eichstätt, Freitag Augsburg, Samstag Fürth, Sonntag Garching, Montag und Dienstag frei. Da hatte ich Zeit, ein Superdaddy zu sein. Weil es Mittwoch weiterging. In Koblenz. Und das hatte ich mir noch hart erkämpfen müssen. Denn Hotte hatte mir ursprünglich nur den Montag als Familientag reserviert und mehrere cholerische Anfälle hingelegt, weil ich auf dem Dienstag bestanden hatte und er alle Dienstagstermine wieder hatte canceln müssen.
Es gab inzwischen auch mindestens acht Alexas, mit denen ich nachts auf Facebook flirtete. Dafür hatte ich keinen Sex mehr mit Charlotte. Wann auch – beim Skypen? Und meine Kolumnen wurden auch immer unwitziger. Ich sollte darin über mein Familienleben schreiben, sehr komisch. Welches Familienleben? Meine Familie waren jetzt Ines Meyer und Horst Brackwede, mein Regisseur Norbert und meine Assistentin Larissa.
2:54 Uhr. Ich war wieder in meine übliche Grübelschleife geraten. Vollkommen sinnlos. Stattdessen sollte ich endlich schlafen. SCHLAFEN. Sleep. Dormir. Ich wollte nicht als Leiche im Fernsehen auftreten. Nur – wie gelangte ich in dieses Land? Melissen-Hopfen-Tee hatte ich schon um Mitternacht getrunken. Um halb zwei hatte ich Baldriantropfen genommen. Jetzt begann ich zum dritten Mal mit autogenem Training. Mein
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