Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
Vom Netzwerk:
Pyjama, Laken, alles nass. Ich klickte auf das blaue Skype-Symbol, und alle drängten sich auf meinem 13-Zoll-Display: Charlotte, Linus auf ihrem Schoß, rechts davon Lasse, der seinen kleinen Arm um Charlottes Schultern gelegt hatte, links Luna, völlig verschlafen, mit Tröte und Flöte auf dem Arm.
    Häppi börsdäi tuu juu
    Marmelade im Schuh!
    Aprikose in der Hose
    Häppi börsdäi tuu juu!
    Sie strahlten. Und erwarteten, dass ich zurückstrahlte. Stattdessen kamen mir die Tränen, und das konnten sie sogar noch sehen. Kinder sollten ihren Vater nicht weinen sehen. Aber wenn man schon vierzig wurde und sich unfreiwillig auf die Riesenrutsche setzte, die im eigenen Sarg endete, dann nicht in einem Anti-Nikotin-Spray-Hotelzimmer in Cottbus, mit der Familie fünfzig Zentimeter entfernt auf dem LED-Bildschirm. Also unerreichbar weit weg.
    »Nicht weinen, Papa«, flüsterte Lasse.
    »Ich hab ein Geschenk für dich!«, trompetete Linus. »Willst du’s mal sehen?«
    »Herzlichen Glückwunsch, mein Mann!« Charlotte schloss die Augen und hauchte mir einen Kuss zu.
    »Soll ich’s mal holen?«, fragte Linus.
    »Nu halt doch mal die Klappe, du siehst doch, dass er praktisch noch schläft!«, blaffte Luna und rammte ihm den Ellbogen in die Seite.
    »Ich wollte dir noch was vorspielen, Papa«, sagte Lasse. »Warte.«
    Er lief aus dem Bild.
    »Also Lasse darf ihm was vorspielen, aber ich darf mein Geschenk nicht zeigen, oder wie?«, protestierte Linus.
    Charlotte strich ihm über den Kopf und ignorierte den Streit.
    »Und du hast die ganze Nacht kein Auge zugetan?«, fragte sie.
    Ich musste schlimm aussehen, wenn man das über fünfhundert Kilometer Entfernung sehen konnte.
    »Na ja, das Zimmer liegt an einer sechsspurigen Hauptstraße, es ist völlig überhitzt, und die Heizung lässt sich nicht abstellen. Dafür leuchtet die Straßenlaterne direkt ins Zimmer, und es gibt nur eine hauchdünne, weiße Gardine. Die kann man aber nicht zuziehen, weil sie klemmt.«
    »In so einen Sauladen haben die euch einquartiert?«, empörte sich Luna.
    »Sauladen?« Ich setzte mich auf. »Das ist das beste Hotel im Umkreis von fünfzig Kilometern!«
    Linus quiekte auf. Charlotte kitzelte ihn, um das Lachen weiterlaufen zu lassen. Und Lasse marschierte mit seiner Geige ins Bild.
    »Nun frag doch Papa erst mal, ob er das Kratzen überhaupt hören will«, mäkelte Luna. Sie hatte sich noch nicht verziehen, dass sie das Cellospielen vor zwei Jahren aufgegeben hatte. Denn sie war gar nicht so schlecht gewesen. Aber Großstadtkinder machen nun mal nichts länger als drei Jahre. Außer Lasse. Aber der war ja auch kein Kind, sondern ein Erwachsener. Nur eben 1,32 groß.
    »Will ich«, rief ich.
    »Nicht so laut!«, maunzte Charlotte.
    »Dann mach mal Platz«, sagte Luna zu Linus. »Sonst kann Papa Lasse nicht sehen.«
    »Ach, unser Familiengenie kann nicht am Rand spielen, oder wie?«, höhnte Linus. »Frieren da seine Finger ein?«
    Charlotte zog ihn wortlos zur Seite, er strampelte, riss sich los und lief aus dem Bild.
    »Hey, bleib da!«, rief ich. Lasse stellte sich ungerührt auf, hob seine Kindergeige ans Kinn, dieses wundervoll rotbraun glänzende Instrument, das er so sorgsam behandelte wie eine zweitausend Jahre alte Buddhastatue aus Zedernholz, und spielte den ersten Satz von Bachs Violinsonate in g-Moll. Ich hielt mir die Hände vors Gesicht, die Tränen liefen mir nur so runter. Lasse spielte weiter und weiter. Ich nahm die Hände vom Gesicht. Luna lächelte mich an. Wie lange hatte sie mich schon nicht mehr so angelächelt? Jemand, der im Fernsehen Kandidaten gegeneinander antreten ließ, war für sie ein Verräter. Aber ich verriet die Kandidaten nicht, und das hätte ich ihr gerne begreiflich gemacht. Ich ließ sie Verbände anlegen, Carrera-Autos reparieren, Witze reißen, die binomischen Formeln erklären und den Kindern einen Köpper beibringen, damit die Leute darüber nachdachten, was einen guten Vater ausmacht. Ja, was machte einen guten Vater aus? Das hatte ich mich nach jeder einzelnen der fünf Sendungen gefragt. Das fragten sich die Redakteurin und ich, während wir die Aprilsendung planten. Und das fragte ich mich jetzt, während Lasse die unendlich traurige Schlusskadenz so leidenschaftlich geigte, dass sich ein Haar seines Bogens löste. Wieso beherrschte ein Achtjähriger eine Solosonate von Bach? Er konnte nicht von mir sein.
    In diesem Moment schlich ein koffergroßes Geschenkpaket langsam ins Bild und schob sich

Weitere Kostenlose Bücher