Superdaddy: Roman (German Edition)

rechter Fuß wurde ganz schwer. Mein rechter Unterschenkel wurde ganz schwer. Mein rechter Oberschenkel wurde ganz schwer. Und meine rechte Gehirnhälfte wurde wahnsinnig. 3:00 Uhr. Es klappte eh nicht.
    3:33 Uhr. Ich WÜRDE aussehen wie eine Leiche.
    Ich setzte mich nicht genügend durch. Es war zum Verzweifeln. Heute Abend zum Beispiel: Zwei Minuten dreißig. Auf diese Länge hatten sie das Eisdielenmassaker zusammengekürzt (»Die Sendung ist eh viel zu lang«). Und zwar, indem sie die besten Stellen gestrichen hatten. Und ich tibetanischer Gebirgsesel hatte mich darauf eingelassen. So dass ich vor vierzehn Millionen Zuschauern nicht nur fünfzig Prozent weniger Pointen haben würde, sondern auch keine einzige funktionierende Synapse. Ich musste die Nummer praktisch neu lernen. Viel schlimmer, ich musste die alte Fassung, die ich vierhundert Mal gespielt hatte, deprogrammieren. Ich würde garantiert aus dem Konzept kommen und »Äh, äh« machen und so gucken wie Otti Fischer, wenn der Teleprompter versagte.
    3:47 Uhr. Wozu mich quälen? Ich sollte die Zeit lieber nutzen, um zu lesen. Zum Beispiel die Kurzgeschichte über einen einäugigen Roboter, die Linus geschrieben und mir vor zwei Wochen gegeben hatte. Oder Charlottes Aufsatz über die Drei Typen männlichen Versagens . Und vor allem Trockenobst, den angeblich saukomischen Erstlingsroman eines befreundeten Comedians, den er mir vor vier Monaten gegeben hatte. Heute Abend würde er da sein und auf der Aftershowparty meine Meinung hören wollen. Ein typischer Fall für etwas Dringendes, aber eigentlich komplett Unwichtiges. Mit dieser merkwürdigen Konstellation hatte ich es immer häufiger zu tun. Der Kollege hieß Martin Erdmann und nannte sich Horst, die Hässlette . Und ich fragte mich, wann er Zeit gefunden hatte, einen Roman zu schreiben, denn er war genauso viel unterwegs wie ich. Was ich also wirklich lesen musste, war der Ratgeber: Dieser Moment dauert dein ganzes Leben. Über Zeitmanagement. Geschrieben von einem buddhistischen Mönch aus dem Hochland von Nepal. Es sollte wirklich gut sein. Laut Max. Aber vermutlich hatte dieser Mönch weder drei Kinder noch eine TV-Show noch musste er sich eine gekürzte Version des Eisdielenmassakers merken und damit vierzehn Millionen Menschen zum Lachen bringen. Dennoch, ich würde es jetzt anfangen. Wenn man es nicht schaffte, auch nur das Vorwort eines Zeitratgebers zu lesen, den man seit sechs Wochen zu jedem Termin mitschleppte, war es schlimm um einen bestellt.
    Ich knipste das Licht an. Meine Augen schmerzten. 4:07 Uhr. Wo war das Buch? Ich musste wahnsinnig sein, jetzt lesen zu wollen. Im schlimmsten Fall war das Buch auch noch gut, und ich las bis sieben Uhr morgens durch. Ich schaltete das Licht wieder aus. Drehte mich auf den Bauch. Und hörte, wie sich etwas meinem Ohr näherte. Ein Geräusch. Ein sirrendes Geräusch. Ja, es war das, was ich befürchtete, was mich am zuverlässigsten überhaupt vom Schlaf abhielt. Und die nächste Stunde abhalten würde. Eine Mücke.
    Mein Name war Hiob. Was hatte ich bloß getan?

2
    We all live in a yellow submarine, yellow submarine, yellow submarine
    Gerade war ich eingeschlafen, da fing Ringo Starr mit seiner Leierstimme an. John und Paul hätten ihn nie ans Mikro lassen dürfen. Und ich hätte den verdammten Klingelton längst ändern müssen. Aber ich wusste nicht mal wie.
    And our friends are all aboard
    Many more of them live next door
    Gleich kam die Stelle mit der Blaskapelle, das hielt ich nicht aus. Ich musste mein iPhone finden. Wie spät war es? Und wer rief mich so früh an?
    And the band begins to play
    Nein, eben nicht, bitte nicht! Ich stolperte aus dem Bett und sah das schwarze Gerät auf dem schmalen Tisch neben dem monströsen Hotelfernseher und wusste plötzlich: Wenn ich es noch schaffte, rechtzeitig vor der Blaskapelle abzunehmen, würde alles gut. Und in diesem Moment begann die Blaskapelle. Verloren. Ich tippte auf das grüne Symbol.
    »Mach den Mac an, du Langschläfer!«
    Charlotte. Seit es Skype gab, wollte sie nicht mehr telefonieren. Ich hasste skypen. Aber ich konnte jetzt nicht argumentieren. Wenn man nur zwei Stunden geschlafen hat, ist die Gehirntätigkeit um sechzig Prozent vermindert. Man hat also in etwa den IQ von Miroslav Klose. Nach drei Kopfballtreffern. Ich fand meinen Mac auf dem Boden neben der Tür und nahm ihn zu mir in mein völlig durchgeschwitztes Hotelbett. Je weniger ich schlafen kann, umso mehr schwitze ich. Decke,