Superdaddy: Roman (German Edition)
hemmungslos, mein Karriereboy!«
»Das geht aber nur, wenn ich total hemmungslos auf Tour gehe im nächsten halben Jahr.«
Sie presste ihren Körper an meinen. »Wir fahren nach New York!«, jubelte sie mir ins Ohr und fing an, daran herumzulecken, und der Gedanke an Sex machte sie so heiß, dass sie nicht mitbekam, wie mein iPhone vibrierte.
Ich merkte es sofort, aber in diesem Moment war mir scheißegal, was Alexa Florenz dachte oder simste oder wünschte, ich musste mich darauf konzentrieren, nicht weich zu werden und mit Charlotte zu schlafen, als wäre alles wieder gut.
Ich löste mich von ihr, nahm ihr Gesicht in meine Hände und sagte: »Wir fliegen nach New York, okay? Aber jetzt geh bitte im Wohnzimmer schlafen.«
Sie hielt inne. Sie erschrak. Und möglicherweise hatte sie gerade etwas begriffen. Etwas Entscheidendes. »Und wenn ich verspreche, dass ich morgen früh aufstehe?«, wisperte sie verheißungsvoll. »Und den Frühstückstisch decke?«
Das hatte sie noch nie gemacht. Sie war wirklich einmalig.
»Das wäre schön.« Ich strich ihr übers Haar. »Aber es reicht nicht.«
»Nicht?«
Ganz naiv sagte sie das, im Tonfall eines amerikanischen Dummchens, Doris Day oder so. Es sollte lustig sein. Aber ich konnte es nicht lustig finden. Nicht nach den sechzehn Jahren. An ihrer Pointentechnik musste sie noch feilen. Und auch an ihrem Timing.
»Nein, Charlie. Ganz und gar nicht.«
DRITTER TEIL
1
Es war schlimm genug, vierzig zu werden. Noch schlimmer war es, in genau dieser Nacht um 2:23 wach zu liegen. Und zwar nicht in Charlottes Armen. Auch nicht in den Armen von Alexa22, die ich übrigens nie getroffen habe. Sondern allein in einem Hotelzimmer in Cottbus, das nach altem Schrank und Anti-Nikotin-Spray roch. Das Hotel konnte nichts dafür, wenn ein Gast in einem Nichtraucherzimmer rauchte. Es konnte aber etwas für das Spray. Und das zog einem penetranter und ungesünder in die Nase, als Zigaretten es je vermocht hätten. Und die Nase kann man bekanntlich noch weniger verschließen als die Ohren.
Vierzig. Es gehört zu meinen vielen abergläubische Ticks, dass ich vor jedem Geburtstag und jedem neuen Jahr einen Jahresrückblick machen muss. Aber worauf blickt man zurück, wenn man vierzig wird: auf das Jahr? Das Jahrzehnt? Oder das ganze Leben? Oh, bitte nicht, das war zu kompliziert. Mein Leben war ohnehin schon viel zu kompliziert geworden im letzten Jahr. Seit November, seit einem halben Jahr, kürte ich jeden Monat auf ProSechs Germany’s next Superdaddy . Der Gott der deutschen Fernsehunterhaltung hatte den Kampf um meine Seele gewonnen. Und das Leben, das ich seitdem führte, hatte mit den neununddreißig Jahren vorher nichts gemein.
Mein Cottbuser Geburtstagshotel gehörte zur größten Hotelkette Deutschlands: den Anti-Schlafhotels. Diese Sado-Maso-Hotels platzierten direkt neben das Bett eine tickende Weckuhr, die sich nicht abstellen ließ. Und deren Stecker man auch nicht ziehen konnte. Aber das war die leichteste Übung. Ich hatte inzwischen auf Tour immer einen Kreuzschraubenzieher dabei, mit dem ich den gesamten Apparat aus dem Nachttisch herausschraubte. Wenn die Uhr dann immer noch keine Ruhe gab, wie vor vier Stunden, riss ich einfach alle Kabel heraus. Aber das Hotel hatte noch mehr auf Lager. Im Badezimmer hatte es eine Lüftung installiert, die automatisch anging, sobald man das Licht anschaltete. Und dann vollautomatisch zwei Stunden weiterlief. Kannte ich. Ich ließ das Licht einfach aus. Jetzt wurde das Hotel richtig gemein. Es stellte direkt gegenüber eine Straßenlaterne auf, die mein Zimmer taghell erleuchtete. Und gab mir als Gardine nur einen durchsichtigen weißen Stoff. Ich setzte einfach meine Schlafbrille auf.
Aber das Hotel gab sich immer noch nicht geschlagen und legte sich an eine sechsspurige Straße. Und dagegen war ich machtlos. Ich kann nämlich nicht mit Ohropax schlafen. Keine Chance. Und so lag ich wach. Und dachte daran, weshalb ich hier war. Morgen Abend würde ich bei Top, die Wette gilt! auftreten, der größten Show des deutschen Fernsehens. Mit dem Eisdielenmassaker. Es wäre deswegen auch ganz gut gewesen, langsam mal einzuschlafen. Sonst spielte morgen jemand vor vierzehn Millionen Zuschauern, der aussah wie eine Leiche. Ich hätte übrigens nach einem Jahr auch gerne mal was anderes gespielt als das Eisdielenmassaker, aber ich sollte nicht jammern. Rüdiger Hoffmann musste seine WG-Nummer auch geschätzte fünftausend Mal spielen, und das
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