Superhirn Sammelband
Henri atmete auf.
»Ein k-k-kolossales dickes Huhn … !« japste Prosper.
Aber wenn er Schwarzbacke damit gemeint hatte, so stellte sich nun doch heraus, daß jemand, der die Küste von klein auf kannte, sich hier immer zurecht fand, ob vor dem Windschutzfenster am Steuerrad oder auf allen vieren unter Deck …
So erreichte das alte »Piratenschiff« die haushohen Molen der Einfahrt zum Seudre-Seitenkanal unbeschadet und landete butterweich vor den Bootshallen des Forschungsinstituts von Brossac. Über ihnen, auf dem Cap Felmy, grüßte der Leuchtturm mit kleinen, freundlichen Augenfenstern. Das Geländer des oberen Rundganges schien sich zu aufmunterndern Lächeln zu verziehen.
»Endlich … !« seufzte Tati. Mit ihren Beuteln sprang sie als erste an Land. Sie war so erleichtert, daß sie zu tanzen begann. Ihr folgte der vor Wonne winselnde Pudel. Micha und Prosper warfen sich ins Gras, und zwar bäuchlings.
»Wollt ihr den Boden küssen?« spottete Gérard.
Doch auch er war übermütig. Er rannte herum und kickte einen unsichtbaren Fußball. Henri übernahm Superhirns Rad und schob es dem Ziegenpfad entgegen, der in Windungen zum alten Turm emporführte. Superhirn selbst sprach noch mit Schwarzbacke.
»Ich nehm kein Geld, das hab ich versprochen« beteuerte der Dicke. »Ihr könnt auch immer mit mir fahren. Ihr seid doch Schwarzbackes Freunde, nicht?« Das klang fast flehentlich. »Ich guck halt gern mal in die Flasche«, fuhr er grinsend fort, »und dann bin ich nicht ganz ernstzunehmen…«
»Sie sind sogar sehr ernstzunehmen!« sagte Superhirn. »Auf Wiedersehen, Herr Admiral!«
»Ach Kinder!« rief Tati erleichtert. »Wir sind wieder hier! Erst einmal unter die Dusche, frisches Zeug an – und dann eine Tasse Kakao.«
Schwatzend liefen die Geschwister mit Gérard und Prosper auf den Turm zu. Außer »Duschen« und »Kakao« hatten sie nichts anderes mehr im Kopf. ja es war, als wollten sie in ihrer Freude ihren Kakao gleich unter der Dusche nehmen. Der Pudel hopste allen voran. Schweigend, den Kopf gesenkt, stapfte Superhirn hinterdrein …
– 4 –
Ein totes Telefon – und ein ärgerlicher Besuch
Das Türmchen am Cap Felmy – hoch über dem Atlantik und hoch über der Ebene von Brossac – war innen mit großem Geschick modernisiert worden. Die übereinanderliegenden Wohnungen – Zimmer, Bad, Dusche, WC – hatten die Form von Apfelsinenscheiben oder Halbmonden. Mit der Küche im Erdgeschoß war der Hobbykoch Prosper besonders zufrieden: Sie bildete eine höchst sinnvoll eingerichtete Nische neben dem bäuerlich gehaltenen Eßraum.
Prosper und Gérard waren in das direkt darüberliegende Stockwerk gezogen. Das oberste Quartier – mit dem offenen Rundgang – hatte man Tati, Micha und Loulou eingeräumt. Superhirn und Henri begnügten sich mit der Wohnung in halber Höhe.
Stand man auf der Plattform, hatte man nicht nur die herrlichste Aussicht auf das Meer, die Bucht und die von bunten Gestalten wimmelnden Strände, Ganz nahe sah man das Gelände des wissenschaftlichen Instituts, der wichtigsten Außenstelle des Staatlichen Forschungsamts. Der Komplex mit den modernen Flachbauten, den Hangars und den Start-und Landepisten vermittelte eher den Eindruck einer eigenen Stadt als einer Anstalt, die sich bescheiden »wissenschaftliches Institut« nannte. Hinter der anspruchslosen Bezeichnung – das wußte Superhirn – verbarg sich ein breit gefächertes, zukunftsweisendes Forschungsprogramm: Meereskunde, Landwirtschaftsberatung, Erd-und Seebebenforschung, Umweltkontrolle, Seuchenbekämpfung, Bakteriologie, Virologie, aber auch Strahlenforschung …
Vor dem Turm stand ein komisches motorisiertes Dreirad mit Ladefläche.
»Madame Dingdong ist da!« rief Micha begeistert. »Sicher hat sie uns was mitgebracht!«
Madame Yvonne Dydon, von den jugendlichen »Dingdong« genannt, war nicht nur Putzfrau, sondern auch eine Art Herbergsmutter, die hier ab und zu nach dem Rechten sah. Sie erfreute sich mindestens der gleichen Beliebtheit wie der volkstümliche »Admiral Schwarzbacke«. Allerdings wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, eine Piratenflagge an ihrem Dreirad zu führen. Noch weniger hätte sie sich ihr Haar etwa – mit schwarzem Lackspray gefärbt …
Das war das erste, was Tati ihr berichtete, während Loulou freudig um sie herumsprang. Die jungen sausten sofort unter die Duschen.
»Lackspray spritzt sich der alte Seebär in den Bart?« rief Frau Dingdong kopfschüttelnd. »Noch dazu
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