Superhirn Sammelband
Mangel.
»Wenigstens verkohlt hat sie uns nicht!« stellte Gérard fest. »Sie sagte, es sei das Ferienhaus ihrer Schwester: Genauso sieht's aus! Nur, daß ich mir 'n schöneres Plätzchen wünschen würde. Die Umgebung könnte ebensogut eine Müllkippe sein!«
»Geerbt ist geerbt, und da macht man das Beste draus!«, meinte Superhirn. Offenbar war er mit einem neuen Problem beschäftigt. Geistesabwesend starrte er in den Wandkasten, der mit Glühlampen und gelbroten Glasstücken ein Kaminfeuer vortäuschte.
»Die Essigfabrik schmeckt dir wohl nicht!« vermutete Micha.
Statt darauf zu antworten, sagte Superhirn: »Holt die Fahrräder rein. Stellt sie irgendwohin, aber möglichst ohne Flurschaden.«
»Er-er-erwartest du Besuch rief Prosper. »Ein harmloser Fahrraddieb wär mir jetzt geradezu 'ne Erholung! Wenn wir aber von der W-w-weißmacherbande überfallen werden: Wie sollen wir hier im Haus drin auf den Rädern ausrücken?«
»Tür zu! Fensterläden kontrollieren! Alle Lichter aus – bis auf das falsche Kaminfeuer!« befahl Superhirn, ohne auf ihn einzugehen. »Henri, du beobachtest durch einen Spalt die Anfahrt! Aber hör mir trotzdem zu!«
Superhirn kauerte sich auf ein Sitzkissen und starrte in das kalte Scheinfeuer in der Wand. Prosper, Gérard und Micha rückten Hocker und Klappsessel heran.
»Die Essigfabrik trägt die Bezeichnung Vergne!« grübelte Superhirn. »Das aber ist der Name von Paul Jordans Vertreter!«
»Bei dem wir die Augenhaftschalen liegen sahen!« meldete sich Henri vom Fenster her. »Und wie du weißt, schließt Tati jeden Zweifel aus!«
Superhirn nickte. »Ich habe Tati einen Zettel mit Aufträgen hinterlassen«, erklärte er. »Sie muß morgen die Optiker abklappern und die Schönheitssalons, wo die Damen sich ihre Wimperntusche und ihre Haarfärbemittel besorgen!«
»Und was nützt das unserem armen Pudel?« rief Micha heftig.
»Mit dem fährt Frau Dingdong zu einem Tierarzt«, antwortete Superhirn. »Der Mann soll aber nicht wissen, daß der Hund urplötzlich weiß geworden ist. Er muß glauben, es handle sich um einen Albino, also um eine Fehlfarbe von Geburt! Das wäre nichts Ernstes. Das gibt's. Ich will nur wissen, ob Loulou sonst gesund ist!«
»Ich verstehe das aber nicht!« maulte Micha.
»Albinismus nennt der Biologe den erblich bedingten Farbwandel in Haaren, in der Haut und in den Augen bei Mensch und Tier«, erklärte Superhirn. »Sogar unter dunkelsten Schwarzafrikanern gibt es vereinzelt solche Albinos. Die Regenbogenhaut ihrer Augen ist nicht brombeerfarben oder braun, sondern wegen des durchschimmernden Blutes rot!«
»Das kenn ich bisher nur bei weißen Kaninchen!« rief Micha.
»Du hörst doch eben, Voll-Albinos laufen nicht in Scharen rum!« sagte Gérard unwillig. »Gibt's Albinismus auch bei Pflanzen?«
Superhirn nickte: »Ja, durch Blattgrün-Schwund! Aber Gérard hat den wichtigsten Punkt berührt: Voll-Albinos sind selten; Teil-Albinos, also Weißhaarige mit bläßlichen Augen und Hautbleiche gibt's öfter.
Daß aber plötzlich in einer Gegend zugleich Melonen, Birnen, Hecken, Menschen – und ein Pudel Albinismus zeigen, und zwar schlagartig, das grenzt an Spuk! Das liegt nicht an der Natur. Bei dem Rentner Ligny sah ich nicht nur die unheimlichen Birnen, sondern, Tage vorher schon, ein paar Blumen, die normalerweise knallrot sein mußten. Sie waren aber weiß, und so abscheulich leblosweiß, daß das keine Züchtung sein konnte, Ich erinnerte mich daraufhin an die Tulpengeschichte in Holland, und – was schlimmer ist – an die weißen Spatzen. Hier!« Superhirn zog ein Röllchen aus der Hosentasche: »Zusammengedrehte Zeitungsartikel. Meist kleine Meldungen in der internationalen Presse. Aber die haben's in sich: dpa, Deutschland: Was die weißen Spatzenschwärme betrifft, so weigerte sich der Kernkraftspezialist Professor Renner, sie als Opfer radioaktiver Verseuchung anzusehen. Renner erklärte: Albinos gab es schließlich immer!«
»Aber keine Schwärme« rief Prosper.
»Eben!« sagte Superhirn spöttisch. »Die Spatzen bilden keine Notgemeinschaft von Farbgeschädigten. Die Sache mußte also eine andere Ursache haben. Ich fand noch mehr Artikel mit weißen Rätseln, scheinbar ohne Zusammenhang. In Mittelitalien, in der Toskana, regnete es plötzlich weiße Vögel vom Himmel. Solche, die von Natur aus eine Färbung und Musterung hätten aufweisen müssen!
Wissenschaftler vermuten, die Tiere seien durch eine Giftwolke geflogen. Das ist
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