Supernova
Tschüss.«
»Privatsphäre ist aufgehoben.« Sie grinste Leo
an.
»Wer war das?«, fragte er neugierig.
»Ein alter Freund«, sagte sie leichthin. »Wusste
nicht, dass ich verreise.«
»Also, ist das nicht eine Schande?« Er deutete auf ihr
Tischgedeck. »Ihre Suppe ist kalt geworden.«
»Was soll’s.« Sie zuckte die Achseln und stand mit
klopfendem Herzen auf. Aber dieses Herzklopfen hatte nichts mehr mit
Erregung zu tun, zumindest nicht mit sexueller Erregung. Ihre
Handflächen waren kalt, und ihr Magen drohte sich umzudrehen.
»Wo wohnen Sie auf Noctis?«, fragte sie. »Ich dachte,
ich könnte Sie vielleicht besuchen kommen.«
»Ach, das weiß ich noch nicht. Mein Onkel hat manchmal
recht verrückte Ideen«, erwiderte er nervös. »Wie
wär’s, wenn wir mal Ihre Kabine ausprobieren? Ich wollte
schon immer mal sehen, wie die andere Hälfte untergebracht
ist.«
Scheiße. Er weiß, in welcher Klasse ich reise.
Allerdings war diese Bemerkung unvorsichtig – oder er ist
allzu sehr von sich überzeugt. »Okay«, sagte sie
leichthin und lächelte, als er nach ihrem Handgelenk griff und
sie an sich zog. Wieder nahm sie seinen verführerischen
männlichen Geruch wahr. Irgendetwas an seiner Haut wollte sie
dazu bringen, den Arm unter sein Hemd gleiten zu lassen und an ihm zu
schnuppern. Es ist etwas, das speziell auf mein vomeronasales
Organ abzielt, etwas, das direkt auf meinen Hypothalamus wirkt, damit
ich geil werde, stimmt’s? Als sie sich gegen ihn lehnte,
schienen sich ihre Sinne zu schärfen. »Komm schon«,
raunte sie ihm ins Ohr und fragte sich dabei, wie um alles in der
Welt sie aus diesem Schlamassel wieder herauskommen sollte. Ihr Herz
klopfte heftig, und es kam ihr so vor, als sei es aus Lust,
vielleicht aber auch aus Angst. Oder beides traf zu. Sie hatte sich
tatsächlich gegen ihn gelehnt, und ihr war irgendwie weich in
den Knien. Ein Nervengift?, fragte sie sich, verwarf den
Gedanken jedoch gleich wieder. Das würde viel zu viel Aufsehen
erregen, wenn er wirklich das war, wofür sie ihn hielt.
Wahrscheinlich war es einfach irgendein Mittel, das die Wirkung von
Pheromonen verstärkte. »Komm schon.«
Im Treppenhaus blieb er einen Augenblick stehen und zog sie an
sich. »Darf ich dich tragen?«, flüsterte er ihr ins
Ohr. Als sie, vor Anspannung wie benommen, nickte, nahm er sie auf
die Arme. Während er die Treppe hinaufstieg und dabei jeweils
zwei Stufen auf einmal nahm, ruhte ihr Kopf nahe an seinem Ohr. Jetzt
hatten sie Deck A und den Ring von Luxuskabinen erreicht. »Wo
ist deine…«
»Halt mal, setz mich ab, ich find’s schon.« Sie
lächelte ihn an und lehnte sich bei ihm an. Die Lampen auf dem
Gang waren auf Nachtbeleuchtung geschaltet, da die meisten Passagiere
auf diesem Flug durchschlafen wollten. Er roch nach frischem
Schweiß und irgendwie nach Moschus – verräterisch
betäubend. Hermann hatte ihr einen Ausdruck dafür
beigebracht: Venusfalle. Sie schlang ihre Arme um ihn und
presste ihre Lippen auf seine – ein Kuss, den er
leidenschaftlich erwiderte. Sie drückten die Hüften
gegeneinander. »Scheiße, nicht hier.« Mit höchst
angespannten Nerven zog sie ihn den Gang entlang. »Hier.«
Sie klopfte gegen die Türverkleidung. »Ich muss mal auf die
Toilette. Geh schon rein und mach’s dir gemütlich. Bin
gleich wieder da.«
»Wirklich?«, fragte er und trat in ihre Kabine.
»Ja, klar.« Sie lehnte sich an ihn und knabberte
zärtlich an seinem Hals. »Dauert keine Minute.« Mit
klopfendem Herzen trat sie einen Schritt zurück und drückte
auf den Türschließer. Danach berührte sie das
nächste Feld, das für ungestörte Privatsphäre
sorgte und die Kabine völlig von der Außenwelt isolierte.
Ihr Herz schlug inzwischen so heftig, dass es ihren Brustkasten zu
sprengen drohte. »Hab ich das wirklich gerade eben getan?«,
fragte sie sich. »Wendigo. – Suite, kannst du mich
hören?«
»Hallo, Passagierin Strowger! Ja, ich kann Sie
hören.« Die Stimme drang blechern durch das Steuerfeld
außerhalb der Kabine.
»Bitte sperr die Tür meiner Suite ab und schließ
sie erst eine Stunde nach unserer Ankunft wieder auf. Ich möchte
durchschlafen. Wimmel alle Anrufe ab und unterbreche die Verbindung
nach außen. Schalte auf maximale Schalldichte. Und geh selbst
wieder auf absoluten Schlafmodus, damit ich ungestört bin.
Außerdem möchte ich, dass du den Code zu deiner
Aktivierung durch Stimmerkennung ergänzt.«
Die arglose K.I. der Suite schluckte es. »Achtung! Im Fall
eines
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