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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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nicht betrunken wirkte, während
Wednesday so aussah, als sei sie zu benebelt, um ihre Gegnerin
richtig einschätzen zu können. Schließlich war die
Frau aus der Rasse der Übermenschen wie das Heck eines
Kanonenboots gebaut und hatte dort, wo andere Menschen Meinungen
hatten, nichts als Muskeln. »Ich hab diese Scheiße satt. Hier sind wir, sitzen herum« – vage schwenkte
sie die Hand, um auch den übrigen Speisesaal einzubeziehen, und
blinzelte gleich darauf verblüfft –, »sitzen um den
Tisch herum, während unten im Zwischendeck
Flüchtlingskinder…«
    Steffi hatte kaum gemerkt, dass sie eine Entscheidung getroffen
hatte, da war sie schon aufgesprungen. Wednesdays Rücken war
angespannt und verhärtet wie Stahl, als sie ihr den Arm um die
Schultern legte. »Kommen Sie«, sagte sie sanft.
»Kommen Sie mit mir. Sie haben völlig Recht, Sie
müssen nicht hier bleiben. Überlassen Sie alles mir, ich
werde das schon klären. Können Sie aufstehen?« Einen
Augenblick lang war sie sicher, dass es nicht klappen würde,
aber eine Sekunde später stemmte Wednesday sich hoch. Hätte
Steffis Arm sie nicht gestützt, wäre sie hin und her
geschwankt. »Kommen Sie, kommen Sie mit mir. Gut so.« Sie
lenkte Wednesday zur nächsten Tür und registrierte nur am
Rande, dass sich die steinharten Blicke Mathildes in ihren
Rücken bohrten - oder galten sie Wednesday? »Kommen
Sie«, sagte sie. Und zur Goldtrasse an ihrem Ärmelaufschlag
gewandt: »Tisch sechs – jemand muss den bitte für mich
übernehmen. Bringe einen Gast, dem es nicht gut geht,
zurück zur Kabine.«
    Sie waren kaum durch die Tür, als Wednesday sich
losreißen wollte. Steffi hielt sie fest. »Nein! Ich muss
gleich…« Oh, Scheiße! Steffi verlagerte ihren
Griff und lenkte Wednesday hastig zu dem Palmenkübel, auf den
sie ursprünglich zugeschwankt war. Doch als sie erst einmal
kopfüber über dem Kübel hing, bewies Wednesday, dass
sie aus hartem Stoff gemacht war: Sie holte mehrmals tief Luft und
bekam den Magen langsam wieder unter Kontrolle.
    »Tisch sechs, ist irgendjemand da?«, murmelte Steffi in
den Ärmelaufschlag. »Hab hier einen Notfall. Wer vertritt
mich an Tisch sechs?«
    »Hallo, Steffi«, sagte eine Stimme in ihrer Ohrmuschel.
»Ich hab Max gebeten, für Sie einzuspringen. Werden Sie
lange fort sein?«
    Steffi sah zu Wednesday hinüber, die am Palmenkübel
lehnte, und zuckte leicht zurück. »Das Ende des Banketts
werde ich wohl verpassen.«
    »Okay, verstehe. Anwesenheitspflicht beim Bankett ist hiermit
aufgehoben.«
    Sie richtete sich auf und sah dabei, dass Wednesday das Gleiche
tat und sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand lehnte.
    »Kommen Sie. Wie ist Ihre Zimmernummer?« Sie tippte auf
ihre Gästeliste, die praktischerweise immer noch auf dem
winzigen Gerät an ihrem Ärmelaufschlag gespeichert war.
»Am besten, ich bringe Sie dorthin.«
    Wednesday watschelte teilnahmslos, wenn auch ein wenig
unkoordiniert, neben ihr her, wie eine Marionette, die an zu lockeren
Fäden hängt. »Verlogenes Weibsstück«,
murmelte sie leise, als Steffi sie in den nächsten Fahrstuhl
zog. »Verlogen. Lügt, sobald sie den Mund
aufmacht.«
    »Sie sind nicht daran gewöhnt, so viel zu trinken, nicht
wahr?« Steffi wagte einen Vorstoß. Wow, du wirst einen
gewaltigen Kater haben, selbst wenn du Gegenmittel nimmst!
    »Nein… nicht Alkohol. Wollte nicht dort hin, konnte aber
auch nicht allein bleiben.«
    Fünfzig zu fünfzig, dass sie entweder rührselig
oder aber deprimiert ist. Wetten, dass sie mit jemandem reden
möchte? Steffi drückte die Knöpfe für Deck A
und Wednesdays Zylinder und konzentrierte sich darauf, sie aufrecht
zu haken, während sie durch wechselnde Strömungszonen
zwischen den künstlichen Schwerkraftringen im Schiffsbauch
glitten. »Gibt es einen bestimmten Grund dafür?«,
fragte sie beiläufig.
    »Mom und Dad und Jerm – verlogenes Weibsstück!« Es kam fast wie ein Knurren heraus. Ich hatte Recht, stellte Steffi bedauernd fest. Hab sie da
gerade noch rechtzeitig weggeholt. »Konnte nicht allein
bleiben«, wiederholte Wednesday mit Nachdruck.
    »Was ist passiert?«, fragte Steffi leise, als der
Fahrstuhl das Tempo drosselte und sich zur Seite bewegte.
    »Die sind tot, und ich lebe noch.« Das Gesicht des
Mädchens war ein Bild des Jammers. »Verdammte
Lügnerin, verdammte Übermenschen!«
    »Sie sind tot? Wer, Ihre Familie?«
    Wednesday machte ein Geräusch, das halb nach einem Schniefen,
halb nach einem Schluchzer klang. »Was

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