Supernova
verwirrt an. »Ja«, sagte sie
schließlich. »Warum?«
Er stellte sein Glas so heftig ab, dass die Tischplatte klirrte.
»Man hätte Sie ermorden können«, bemerkte er,
ziemlich aus der Fassung gebracht.
»Was meinen Sie…« Sie beugte sich zu ihm. »Sie
haben gesagt, dass diese Leute Newpeace beherrschen, mit
Konzentrationslagern, Geheimdiensten und all der Scheiße. Aber
glauben Sie, dass die auch hier an Bord so gefährlich
sind?«
»Die sind überall gefährlich!« Frank setzte
sich auf, hob sein Glas, nahm einen kräftigen Schluck und
hustete eine Weile. »Man darf niemals auf einen Knopf
drücken, auf dem ÜBERMENSCH steht. Versprechen Sie mir, das
nie wieder zu tun? Bitte!«
»Ich war betrunken.« Wednesday wurde rot. Seine spontane
Anteilnahme und Sorge um sie war auch durch den Nebel des eigenen
Kummers nicht zu übersehen. »He, ich bin ja nicht
verrückt.«
»Nicht verrückt.« Er kicherte nervös.
»Wollten Sie deshalb lieber nicht allein ausgehen?«
»Nein. Ja.« Als sie ihn prüfend ansah, fragte sie
sich, warum sie ihm vertraute. Nach Mitternacht allein mit einem
Gorilla, und da fragt er sich noch, ob ich verrückt bin? »Ichweiß es nicht. Müsste ich es denn
wissen?«
»Sie sollten immer wissen, warum Sie bestimmte Dinge
tun«, erwiderte Frank ernst. »Warum Sie, zum Beispiel,
mitten in der Nacht fremde Männer zu einem Drink einladen.«
Er griff nach der Likörflasche. »Soll ich Ihnen
nachschenken? Oder mich besser verziehen, ehe wir beide morgen
früh mit einem Kater aufwachen?«
Sie schob ihm ihr Glas hin. »Bleiben Sie noch«, sagte
sie impulsiv. »Ich fühle mich sicherer, wenn Sie in der
Nähe sind. Konnte sowieso nicht schlafen.« Um ihre
Mundwinkel spielte ein schwaches Lächeln. »Glauben Sie denn, dass ich verrückt bin?«
Im Lauf der Zeit legte sich die Langeweile ein bisschen. Wednesday
verbrachte den ganzen folgenden Tag in ihrer Kabine und
beschäftigte sich mit der umfassenden Spiele-Bibliothek des
Schiffes. Aber die meisten der anderen Online-Spieler waren alte
Hasen, die von Strategie mehr verstanden als die gesamte
Spielmannschaft auf Centris Magna. Nach einer Weile traute sich
Wednesday nach draußen – vor allem, um nachzusehen, ob sie
wirklich nichts zum Anziehen finden würde. Danach ging sie mit
Frank in eine öffentliche Bar. Er ließ sie einen Single
Malt probieren und frische Meeresfrüchte, die in der
Schwerelosigkeit gezüchtet wurden. Später verbrachte sie
einige Zeit mit Steffi, die sie schnell ihrem alten Freund Sven, dem
Clown, vorstellte und sich dann entschuldigte. Wie sich
herausstellte, kannte Sven auch Frank. Die Welt an Bord war
klein.
»Also, was soll diese Gesichtsschminke?«, fragte sie
Svengali an einem – nach Borduhr – späten
Nachmittag.
Der Clown runzelte nachdenklich die Stirn. »Stellen Sie sich
eine Karikatur vor. Oder eine Parodie. Denken Sie an eine
aufschlussreiche nicht-verbale Kommunikation, die durch die Schminke
hervorgehoben wird, okay? Wäre das hier eine virtuelle
Projektion, wäre ich ein Avatar und hätte Kopf und
Körper eines Homunkulus, eine grell-blaue Nase und die riesigen
Kawaii-Augen einer japanischen Comic-Figur. Aber ich bin keine
virtuelle Projektion und weder bein- noch armamputiert, also muss ich
mich auf programmierbare Theaterschminke verlassen. Es ist wirklich
verblüffend, wie anders die Leute mich wahrnehmen, wenn sie mich
so sehen – Sie würden sich wirklich wundern.«
»Gut möglich.« Wednesday nahm einen kräftigen
Schluck aus ihrem Glas, das mit einer fluoreszierenden grünen
Flüssigkeit und roten Blasen gefüllt war. Das Getränk
enthielt fast so viel Alkohol wie ein Starkbier. Sie deutete auf
seine Jacke. »Aber dieser doppelte Saum…«
»Sie wollen mir wohl gar keine Tricks lassen, wie?«,
seufzte Svengali.
»Nein«, bestätigte Wednesday, worauf der Clown
grimmig das Gesicht verzog. »Sie sind sehr gut darin«,
bemerkte sie versöhnlich. »Verdient man viel
damit?«
»Es zahlt sich aus.« Svengali riss sich sofort wieder
zusammen, als hätte er schon zu viel gesagt. »He, genug von
mir geredet. Warum reden wir zur Abwechslung nicht mal über
Sie?«
»Nein, so leicht kommen Sie mir nicht davon.« Wednesday
grinste.
»Tja. Nun ja, wenn das Publikum alt genug ist, hinter den
Spiegel zu blicken, wird’s schwieriger. Mutter…«
»Was?«
Svengali griff schnell hinter ihren Kopf, zog die Hand gleich
wieder zurück und enthüllte einen Schmetterling mit
weiß-blauen Flügeln, die
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