Supernova
Johnson noch wach?«
»Frank Johnson ist wach und nimmt Anrufe entgegen«,
erwiderte das Kommunikationsnetz des Schiffes.
»Oh, oh.« Plötzlich war es ihr sehr wichtig, dass
noch jemand anderes zu dieser verrückten Zeit wach war.
»Bitte mit Frank Johnson verbinden.«
Nach kurzer Pause läutete es. »Hallo?« Frank klang
überrascht.
»Frank?«
»Hallo, Wednesday. Was gibt’s?«
»Oh, nichts Besonderes«, erwiderte sie müde.
»Ich konnte nur nicht schlafen. Mir gingen schlimme Dinge durch
den Kopf. Sie haben eine Bar erwähnt. Ist es Ihnen, na ja, zu
spät?«
Er zögerte kurz. »Nein, ist mir nicht zu spät.
Möchten Sie, dass wir uns gleich treffen?«
Jetzt zögerte sie ihrerseits. »Ja, falls Sie Lust
haben.«
»Also gut, wir könnten uns bei…«
»Könnten Sie hierher kommen?«, fragte sie, einer
plötzlichen Eingebung folgend. »Ich möchte nicht
allein ausgehen.«
»Aha.« Er klang amüsiert. »Okay, ich bin in
etwa zehn Minuten da.«
Sie legte auf. »Ach du meine Güte!« Ihr
Blick fiel auf die abgeworfenen Kleidungsstücke, und sie dachte
plötzlich daran, dass sie nackt war, und wie das wirken musste.
»Verdammt noch mal!« Sie sprang auf und griff nach ihren
Leggings und dem Oberteil. Kurz zögernd, wickelte sie sich den
Sarong um die Taille, programmierte ihre Jacke so, dass sie sich in
ein Ding aus vielen Lagen von Spitze verwandelte, warf die anderen
Kleidungsstücke in den Schrank, um sie später
auszusortieren, und rannte zurück ins Bad, um die Lampen
einzuschalten. »Mein Haar!« Es sah fürchterlich
aus. »Ach, was soll’s. Hab ja nicht vor, ihn ins Bett zu
zerren, oder?« Sie streckte ihrem Spiegelbild die Zunge raus und
machte sich danach an der Hausbar zu schaffen, die in einer Ecke des
Wohnzimmers untergebracht war.
Als Frank ankam, hatte er eine Tüte dabei. Während er
sich mit einiger Befremdung umsah, stellte er sie auf dem
Teppichboden ab. »Sie sagten ja, dass Ihre Freunde dafür
aufkommen, aber das hier ist wirklich grotesk«, knurrte er.
»Ja, nicht wahr?« Sie sah ihn herausfordernd an.
Er grinste und unterdrückte ein Gähnen. »Irgendwie
schon.« Er stieß mit dem Fuß gegen die Tüte.
»Sie sagten, Sie wollten nicht ausgehen, also hab ich auf dem
Weg hierher ein paar Dinge besorgt, nur für den Fall…«
Plötzlich wirkte er unbeholfen.
»Ist schon in Ordnung.« Sie nahm seinen Arm und zog ihn
zu dem riesigen, weich gepolsterten Sofa herüber, das eine ganze
Seite des Wohnzimmers einnahm. »Was haben Sie da?«
Er zog eine Flasche heraus. »Sambuca. Aus Bolivar. Und, mal
sehen, einen echten Single Malt Whisky aus Speyside. Das ist auf der
Alten Erde, wissen Sie. Und das hier ist ein ekelhafter
Schokoladenlikör, dessen Herkunft man besser nicht erwähnt.
Haben Sie Gläser?«
»Ja.« Sie ging zur Bar hinüber und kehrte mit
Gläsern und einem Krug voller Eiswürfel zurück. Danach
nahm sie im Schneidersitz auf der anderen Seite des Sofas Platz und
goss sich ein Glas Schokoladenlikör ein, wobei sie vorgab,
Franks gespieltes Entsetzen - er schüttelte sich – gar
nicht zu bemerken. »Sie waren nicht beim Abendessen.«
»Diese Festessen für die hungrigen Massen mit all der
aufgesetzten Förmlichkeit öden mich an«,
verkündete er. »Die sind nur dazu da, den reichen
Passagieren das Gefühl zu geben, einen einzigartigen Service zu
genießen – jedenfalls einen sehr viel besseren, als ihn
die Schläfer im Zwischendeck bekommen. Wenn man
Geschäftsmann oder in der Schiffsbranche tätig ist, kann
man auf diese Weise wahrscheinlich eine Menge Kontakte knüpfen,
aber in der Regel reisen die Leute, mit denen ich mich beim Essen
gern unterhalten würde, nicht mit einem Linienschiff.« Er
bedachte sie mit einem scharfen Blick. »Hat es Ihnen
gefallen?«
Fast hätte sie die Frage ernst genommen, obwohl sein Ton
ironisch klang. »Ich hätte fast in einen Palmenkübel
gekotzt, nachdem ich mich wie ein Idiot aufgeführt habe.«
Sie zuckte bei der Erinnerung leicht zusammen. »Allerdings hat
sie’s herausgefordert.«
»Wer?« Frank hob sein Glas: »Prost!«
»Und zwar gründlich. Das giftige kleine Miststück
hat endlos lange davon geschwafelt, wie toll es ist, zu den Übermenschen zu gehören…« Als sie Franks
betroffenen Blick bemerkte, hielt sie inne. »Hab ich was
Falsches gesagt?«
»War sie blond? Und der Kopf an einer Seite halb rasiert,
sodass eine Tätowierung zu sehen war?«
Zwischen widerstreitenden Gefühlen hin und her gerissen, sah
Wednesday ihn
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