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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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hätte landen können, wenn auch
nicht so zivilisiert wie manche. Und wenn schon? Solange sie nur
das tun, was ihren eigenen Interessen am besten entspricht. Und nicht
wieder ins Mittelalter zurückfallen, wie vor siebzig Jahren. Dennoch war es vielleicht besser, Martin nicht ins Bild zu
setzen. Schließlich würde sie über den Kanal der
Botschaft mit ihm kommunizieren müssen. Sie zog die Jacke fester
um die Schultern und versuchte sich in die Köpfe der
gesichtslosen Bürokraten in ihrer dunklen, eng geschnittenen
Einheitstracht hineinzuversetzen. Was den Kopf des
Staatssekretärs und das betraf, was er seinen Vorgesetzten
vermutlich berichten würde, da machte sie sich allerdings nichts
vor.
    Nicht immer taten die Menschen das, was in ihrem ureigenen
Interesse lag. Ihre Fähigkeit, Risiken zu analysieren, war
erschreckend gering, und schon gar nicht kamen sie dabei mit
verborgenen Motivationen und Neurosen klar. Sie waren alles andere
als die moralisch sauberen, rationalen Akteure, die
Wirtschaftswissenschaftler oder Diplomaten unbedingt in ihnen sehen
wollten. Im Diplomatischen Dienst durfte man aber nicht danach gehen,
was Menschen zu tun beabsichtigten, sondern musste
berücksichtigen, was sie zu tun imstande waren. Im Umgang mit
der hier residierenden Moskauer Exilregierung kam es den
örtlichen Parteibürokraten bestimmt so vor, als hätten
sie es mit einer hungrigen, erregten Giftschlange zu tun, die sich
jederzeit auf sie stürzen und zubeißen konnte. Sie
würden den kleinen Falschspielertrick, den sich George Cho zum
Schutz der Botschafterin Morrow ausgedacht hatte, nur hinnehmen,
solange dadurch die Chance auf einen Rückruf der Raketen wuchs,
nicht eine Sekunde länger.
    Eben jene – die Botschafterin, wie aufgrund der beiden
Leibwächter leicht zu erkennen war – saß an einem
Tisch des Straßenrestaurants. Rachel machte einen Umweg zur
Küchenseite, ging auf den Leibwächter zu, der ihr am
nächsten war – er konzentrierte den Blick auf den Platz,
nicht auf die Kellner, die von draußen ins Restaurant eilten
–, und klopfte ihm auf die Schulter. »Rachel Mansour, ich
bin mit Exzellenz Elspeth Morrow verabredet.«
    Der Leibwächter fuhr zusammen. »Du meine Güte,
haben Sie mich erschreckt!«
    Mit gelangweilter Miene blickte Morrow auf. Ihrem Gesicht fehlte
jede Farbnuance. »Sie sind spät dran. George Cho sagte, ich
sollte mit Ihnen sprechen. Hat’s mir wirklich nahe gelegt, es
sei unbedingt nötig. Wer sind Sie denn überhaupt?«
    Rachel zog sich einen Stuhl heran und nahm Platz. »Ich
arbeite für dieselben Leute wie George Cho, allerdings für
eine andere Abteilung. Offiziell bin ich Teil des Diplomatischen
Korps. Was ich inoffiziell bin, werde ich jederzeit abstreiten.«
Sie lächelte schwach.
    Nicht gerade charmant deutete Morrow auf Rachels Stuhl.
»Okay, Geheimdienstlerin. Was also hat George vor?«
    Rachel lehnte sich zurück und warf einen Blick auf den
Leibwächter. »Sie wissen ja über das, äh, Problem
Bescheid, das uns derzeit beschäftigt.« Sie musterte Morrow
eingehend: Die Frau war schlank und mochte Anfang vierzig sein. Zwar
hatte sich Moskau mit Verjüngungstherapien nicht gerade
hervorgetan, aber sie konnte gut und gern auch zwanzig Jahre
älter sein. Das kastanienbraune Haar trug sie schulterlang. Die
grünen Augen wirkten so gequält, als ob… egal,
jedenfalls wirkten sie irgendwie gehetzt. Bestimmt lasteten die
Abermillionen von Toten schwer auf ihren Schultern. Hinzu kam das
Wissen, dass es möglicherweise an ihrer Person hing, ob weitere
Abermillionen deren Reihen auffüllen würden… Welche
entsetzlichen Dinge mag sie dabei empfinden?, fragte sich Rachel.
»Entschuldigen Sie die Frage, aber haben Sie Maureen Davis,
Simonette Black oder Maurice Pendelton gut gekannt?«
    Morrow nickte. »Maurice war ein alter Freund«, sagte sie
langsam. »Black kannte ich nur dem Namen nach. Maureen… Ja,
wir kannten uns. Aber Maurice ist derjenige, bei dem ich wirklich
Trauer empfinde.« Sie beugte sich vor. »Was wissen Sie
darüber?«, fragte sie leise. »Warum hat George Sie
mitgebracht? Sie gehören doch zum Geheimdienst, oder
nicht?«
    Rachel streckte eine Hand hoch, um einen Kellner auf sich
aufmerksam zu machen. »Ich, ähm, arbeite vom anderen Ende
aus mit Georges Gruppe zusammen«, sagte sie leise. »George
arbeitet an einer diplomatischen Lösung. Ich… Meine Arbeit
besteht darin… Nun ja, George möchte auf jeden Fall
sicherstellen, dass – sollte es zu einem

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