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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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schrieb sie Frank zurück und
blickte auf Rachels letzte Nachricht, während sie Steffi
antwortete.
    »Und Sie wollen, äh, den R-Bombern tatsächlich den
unwiderruflichen Start-Code schicken, wenn Sie nicht bekommen, was
Sie verlangen?«
    Steffi grinste. »Sie haben’s erfasst.« Wednesday
nickte, während sie hastig eine letzte Antwort-Mail
verfasste.
    »Und kommt Ihnen gar nicht der Gedanke, dass etwas daran
falsch sein könnte?«
    »Warum sollte ich so was denken?« Steffi starrte sie an.
»Das Universum zahlt mir nicht die Miete, und Ideale kann man
nicht essen, Mädchen. Zeit, dass Sie erwachsen werden und
über Ihre Geschichte hinwegkommen.«
    Fall abgeschlossen, schrieb Wednesday und schickte die
Nachricht ab. »Vermutlich haben Sie Recht«, sagte sie,
lehnte sich so nah wie möglich gegen die Wand und programmierte
ihre Jacke auf äußerste Festigkeit. Danach streckte sie
die rechte Hand vor und holte zum Tiefschlag gegen Steffi aus.
»Da, fang’s auf!« Mit der linken Hand zerrte sie
heftig an ihrem Jackenkragen, zog die Kapuze heraus, streifte sie
über den Kopf und löste den Aufbläh-Mechanismus der
Jacke aus. Dann wartete sie darauf zu sterben.
    Der Lärm war so laut, dass es ihr wie ein Schlag in den Magen
vorkam, und drückte so auf die Ohren, dass sie klingelten. Kaum
war der Bruchteil einer Sekunde verstrichen, war erneut ein lautes
Geräusch zu hören – diesmal ein gewaltiges Zischen,
als müsse ein Dinosaurier niesen. Ein Leviathan versuchte sie
mit seinen Tentakeln von der Wand wegzureißen; sie spürte,
wie sie in dem Wirbelsturm wild mit Armen und Beinen ruderte.
Irgendetwas traf sie so hart, dass sie zu schreien versuchte. Ein
glühender, stechender Schmerz fuhr ihr in den rechten
Fußknöchel, und in ihren Ohren pochte es so heftig und
dumpf, dass sie am liebsten mit Messern darin herumgestochert
hätte, um die Quelle des Übels herauszukratzen. Kurz danach
krachten die Sicherungsplatten der Raumstation herunter, um die
Bruchstelle zu isolieren, und der Lärm ebbte langsam ab. Ihr
Schutzhelm verriegelte sich und blähte sich auf, als der von der
Jacke konservierte Sauerstoff in Bläschen hineinströmte.
Nach und nach bekam sie wieder einen klaren Blick.
    Keuchend versuchte sich Wednesday zu bewegen, bis ihr einfiel,
dass sie zuerst den Panzer im Rücken ihrer Jacke lösen
musste. Im Zimmer herrschte ein einziges Chaos. Von Steffi, den zwei
Stühlen am Terminal und der Hälfte der Regale, die hier
dicht an dicht gestanden hatten, fehlte jede Spur. Es sah so aus, als
wäre eine Schneewolke explodiert: Die wichtigsten
Bedienungsvorschriften hatte man hier in Form von Computerausdrucken
aufbewahrt, und die Detonation und der folgende Druckabfall hatten
die gebundenen Unterlagen zerfetzt und überall verstreut. Aber
das Fenster…
    Durch gezackte Glasscherben hindurch blickte Wednesday auf einen
Abgrund der Kälte und der Erinnerungen, der sich über
vierzig Billionen Kilometer erstreckte. Eine eiserne Pupille, umgeben
von niemals zwinkernden roten und grünen Augenlidern, erwiderte
ihren Blick - der Friedhof eines zerschmetterten Sterns. Gewaltsam
riss sie sich von diesem Anblick los und machte sich vorsichtig auf
den Weg durch das Trümmerfeld, bis sie das TALIGENT-Terminal
gefunden hatte. Es war auf die Seite gekippt, aber das Kabelgewirr
hatte es auf dem Fußboden festgehalten. Sie beugte sich
darüber und entfernte sorgfältig alle Schlüssel.
Danach ging sie wieder zum Fenster hinüber und schleuderte einen
der Schlüssel mit voller Absicht in den Abgrund. Die anderen
beiden steckte sie ein – schließlich würden die
Diplomaten von der Erde sie noch brauchen.
    Während der letzte Schlüssel in ihrer Tasche verschwand,
tauchte eine Mail von Rachel auf: Dringlich! Wednesday, bitte
antworte! Bist du verletzt? Brauchst du Hilfe?
    Wednesday achtete nicht darauf und machte sich stattdessen auf die
Suche nach der Ausrüstung für eine Notschleuse. Sie hatte
jetzt keine Zeit, Post zu beantworten: Wahrscheinlich würde sie
den größten Teil des verbliebenen Sauerstoffs dazu
brauchen, die Luftschleuse zu installieren, damit sie gefahrlos ins
Land der Lebenden zurückkehren konnte, das jenseits der
Sicherungsschotts lag. Allein mit sich und der eiskalten Dunkelheit
jenseits der Sterne, musste sie Prioritäten setzen, genau wie es
Hermann ihr vor so vielen Jahren beigebracht hatte.
    Jenseits der Wand würden ihre Freunde auf sie warten: Martin,
der ihr beim Untertauchen geholfen hatte; Rachel,

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