Supernova
trotzdem
unsauber vorkam, bis ihr Martin einfiel. Wo steckte er?
»Autsch«, stöhnte sie und schlug die Augen auf.
Martin setzte sich auf der anderen Bettseite auf und musterte sie mit
seltsamer Miene. Er schien auf irgendetwas zu lauschen.
»Es ist George Cho«, bemerkte er, offenbar verdutzt.
»Ich dachte, du hättest dein Telefon abgestellt?«
»George?« Sie rappelte sich mühsam hoch. »Wie
spät ist es überhaupt?« Sofort blinkte in ihrem
Blickfeld, vor der Garderobe, ein Icon auf. »Oh,
Scheiße!« Drei Uhr morgens. Was will George um diese
Zeit von mir? »Das bedeutet nichts Gutes… Gibst du ihn
mir mal?«
»Rachel? Was ist mit Ihrer Bildübertragung?«
»Wir sind im Bett, George!«, erwiderte sie, immer noch
recht benommen. »Es ist mitten in der Nacht. Was, zum Teufel,
haben Sie denn gedacht?«
»Oh, tut mir Leid.« Auf der glatten Garderobenwand
leuchtete ein Bild auf. George Cho war einer der wenigen Menschen im
regulären Diplomatischen Dienst, der einen so hohen Rang hatte,
dass er über ihre wirklichen Aufgaben Bescheid wusste.
Normalerweise souverän – er kultivierte den Anschein hohen
Alters, weil er in manchen primitiveren Gesellschaften auf diese
Weise offenbar als distinguiert galt –, wirkte er
im Augenblick beunruhigt und ungepflegt. »Es handelt sich um
Code rot«, sagte er entschuldigend.
Rachel setzte sich so schnell wie möglich auf. »Warten
Sie eine Minute«, sagte sie. »Martin, wo hast du das Mittel
gegen den Kater hingestellt?«
»Ins Bad. Linker Schrank, oberstes Fach.«
»Geben Sie mir eine Minute, okay?«
»Äh, ja, alles klar.« Während Cho nickte,
blickte er besorgt auf den Apparat.
Sie brauchte genau eine Minute, um sich ihren Bademantel, ein Glas
Wasser und die Flasche mit dem Mittel gegen den Kater zu schnappen.
»Wehe, wenn’s nicht wichtig ist, George! Was ist so
eilig?«
»Können Sie in einer halben Stunde einsatzbereit
sein?«, fragte Cho nervös. »Es ist ein groß
angelegter Gruppeneinsatz. Ich versuche Sie schon seit Stunden zu
erreichen. Heute Nachmittag waren Sie nicht im Büro – wo
haben Sie denn gesteckt?«
Rachel warf einen finsteren Blick auf das Kameraobjektiv.
»Waren Sie zu beschäftigt, um mitzubekommen, dass so ein
Arschloch ganz Genf in die Luft jagen wollte?«
»Sie waren involviert?«, fragte er erstaunt. »Das
wusste ich nicht, das kann ich Ihnen versichern. Aber das hier ist
noch viel wichtiger.«
»Sagen Sie nicht so etwas…« Sie gähnte.
»Sagen Sie einfach, worum es geht.«
»Unterwegs werde ich jeden voll ins Bild setzen.«
»Jeden? Wieviele Leute wollen Sie denn einsetzen? Und
was meinen Sie mit unterwegs! Wie lange soll dieser Einsatz
denn dauern?«
Cho zuckte peinlich berührt die Achseln. »Das kann ich
Ihnen noch nicht sagen. Planen Sie einfach einen Monat ein –
mindestens.«
»Einen Monat? Scheiße!« Angesichts der
bestürzten Miene ihres Mannes runzelte Rachel die Stirn.
»Also soll der Einsatz außerhalb unseres Systems
stattfinden?«
»Äh, ich kann das weder bestätigen noch leugnen,
aber Sie liegen ganz gut damit.«
»Und die Dauer ist offen.«
»Ja.«
»Eine Geheimdienstsache des Diplomatischen Korps. Sonst
würden Sie mich ja gar nicht dabeihaben wollen.«
»Auch das kann ich im Moment weder bestätigen noch
leugnen. Aus Gründen, die auf der Hand liegen.«
»Ätzend!«, murmelte sie. »Nein, ich
meine nicht Sie, George.« Sie schüttelte den Kopf.
»Ist Ihnen eigentlich klar, dass mir nach sechs Einsatzjahren in
drei Monaten ein Sabbatjahr zusteht? Und dass ich vor wenigen Monaten
geheiratet habe und wir Nachwuchs planen? Was ist mit meinem
Partner?«
Cho holte tief Luft. Er sah gar nicht glücklich aus.
»Was verlangen Sie also?«
»Ich möchte ein…« Mitten im Satz brach sie ab. Code rot. Ein eisiges Gefühl böser Vorahnung
drängte sich in ihren müden Kopf. Das ist eine wirklich
ernste Geschichte, oder? Code rot bedeutete, dass ein Krieg
drohte. Nicht unbedingt ein Krieg, der den Sicherheitsrat auf den
Plan rufen würde, aber der Code wurde nur benutzt, wenn
tatsächlich bewaffnete Auseinandersetzungen vor der Tür
standen. Und das bedeutete…
»Ich will einen Einsatz mit Partner«, schnappte sie.
»Ich komme gerade von einem einjährigen Kamikaze-Ausflug in
die Neue Republik zurück, werde von irgendeiner Hexe aus der
Zentrale wegen des Unterhaltungsbudgets gemobbt und muss als
Nächstes den Schlamassel bereinigen, den irgendein von der
Plutonium-Fee heimgesuchter Irrer veranstalten
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