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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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hübscher neuer Nebel – und in einigen
Jahren hat sich alles wieder verflüchtigt. Eine kürzlich
von uns in Auftrag gegebene Blitzumfrage erbrachte, dass 69 Prozent
der Erdwürmer noch nie von Neu-Moskau gehört haben. Von den
anderen waren 87 Prozent fest davon überzeugt, dass das
Schicksal Neu-Moskaus die Politik der Erde in keiner Weise tangiere.
Im Übrigen wissen wir ja auch, dass die orale Befriedigung kein
Geschlechtsakt im eigentlichen Sinne ist, glauben an den
Weihnachtsmann, den perversen alten Kerl, der alle Jahre wieder durch
unsere Schornsteine rutscht, und halten die Erde für eine
Scheibe.
    Also gut, jetzt ist es wohl an der Zeit, die Vorhaut falscher
Auffassungen herunterzuziehen und mit der Drahtbürste der
Aufklärung gegen diese klebrige Masse von Halbwahrheiten und
Lügen vorzugehen. Die Wahrheit tut zwar weh, aber längst
nicht so weh wie die Folgen bewusster Ignoranz.
    Ich selbst war vor neun Jahren auf Neu-Moskau und machte den
üblichen ausgedehnten Streifzug durch die Fleischtöpfe
Septagons – gemeint ist das weitläufige ländliche
Gebiet zwischen den beiden Flüssen – oder wie man solche
Gegenden wie Al-Assad, Brunei oder Beethoven sonst noch, grob
vereinfachend, zu bezeichnen pflegt. Neu-Moskau, das kann ich Ihnen
mit Nachdruck versichern, hat sich mir keineswegs als idyllische,
ländliche Hinterwelt dargestellt. Es ist auch nicht so einfach,
als idyllische, ländliche Hinterwelt zu überdauern, wenn
sich sechs Regierungen, deren Hoheitsgebiet das Ausmaß von
Kontinenten umfasst, zu einer planetaren Föderation
zusammengeschlossen haben und die Städte so groß wie
Memphis, Ajuba oder Tokio sind. Zumal sich in der Umlaufbahn Fabriken
befinden, die durchaus in der Lage sind, Frachter mit Fusionsantrieb
für den interplanetaren Verkehr zu produzieren.
    Vielleicht ist abgeschieden das Wort, das es eher trifft.
Neu-Moskau wirkte abgeschieden. Wie kosmopolitisch kann man bei nur
zweihundert Millionen Einwohnern auch sein, wenn man über keine
Werften verfügt, die Antriebskerne für Flüge mit
Überlichtgeschwindigkeit konstruieren können? Aber
Neu-Moskau hat sich die Kernkompetenzen industrieller Produktion
besser bewahrt als viele andere Kolonien, die nach der Einmischung
des Eschaton entstanden sind. Und sie haben ganz gut damit gelebt.
Nur weil die eigenen Vorfahren aus Iowa und Kansas stammen und man so
redet, als müsse man ständig gähnen, ist man ja nicht
unbedingt dumm, primitiv, durch Inzest erzeugt oder ein
größenwahnsinniger Imperialist, der auf galaktische
Eroberungen aus ist. Die Menschen auf Neu-Moskau habe ich im
Allgemeinen als ebenso tolerant, freundlich, offen, aufgeschlossen,
tatkräftig, humorvoll und menschlich erlebt wie beliebige andere
Leute aus meinem Bekanntenkreis. Hielte man nach einer typischen
McWelt Ausschau, wäre Neu-Moskau ein treffliches Beispiel:
besiedelt von Flüchtlingen, die vormals Teil der
euro-amerikanischen Normalkultur des 21. Jahrhunderts waren und nicht
freiwillig hierher kamen; es waren Menschen, deren allgemeine
Grundsätze auf den Werten der Aufklärung, der
repräsentativen Demokratie, gegenseitiger Toleranz und
Religionsfreiheit basierten und die ihre Gesellschaft auf dieser
Grundlage aufbauten. Das nennen wir eine McWelt, höflich
im Umgang, behaglich, tolerant, ein Erbe der westlichen Geschichte
und Tradition. Eine solche Welt könnte man auch langweilig nennen.
    Langweilig, wären nicht irgendwelche Scheißtypen auf
die Idee gekommen, alle Bewohnerinnen und Bewohner Neu-Moskaus auf
einen Schlag umzubringen.
    »Satz-Roboter: Diese Passage nur in sieben Punkt setzen.
Ich glaube, ich habe hier ein bisschen zu dick
aufgetragen.«
     
    Schockiert über die unflätige Sprache? Gut so, ich
wollte ja auch, dass Sie aufmerken. Was auf Neu-Moskau geschehen ist,
schockiert deshalb so, weil es überall hätte passieren
können. Auch hier, auf der Erde, wo Sie sich in diesem Moment
wahrscheinlich befinden, denn 70 Prozent unserer Leserinnen und Leser
sind Leute, die auf der Erde verblieben sind. Genauso hätte es
auch auf Marids Welt eintreten können, ja, es hätte selbst
den verhassten imperialistischen Schwachköpfen von Orions Law
oder den stillen, aufgeklärten muslimischen Technokraten in
Bohraj zustoßen können. Wir alle sind verletzlich,
denn wer auch immer Neu-Moskau ausgelöscht hat, ist unbehelligt
mit einem monströsen Verbrechen davongekommen. Und solange es
keine offizielle Untersuchung gibt, werden diese Leute

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