Supernova
Frank
mühsam heraus. Immer noch zitterte die Hand, mit der er sein
Glas hielt, so stark, dass es auf der Theke leise klirrte.
»Glaub ich eigentlich nicht.« Svengali leerte sein Glas.
»Wahrscheinlich hätte er Sie nur bewusstlos geschlagen und
dann hätte der Reinigungstrupp Sie später einsammeln
können.« Er sah Eloise an und zog eine Augenbraue hoch.
»Gibt’s unter der Theke einen Knopf für den Notruf,
oder haben Sie nur heftig masturbiert?«
»Es war der Notrufknopf, Sie Blödmann.« Sie schwieg
kurz. »Nehmen wir mal an, niemand hätte mich wegen
irgendwelchen künstlich verstärkten Teenies vorgewarnt. Wie
soll ich die denn überhaupt erkennen, wenn sie in meine Bar
kommen?«
»Am besten, Sie halten sich an die Passagierliste, in der
Kabinen und Alter der Reisenden aufgelistet sind. Und begehen Sie
nicht den Irrtum, die Jugendlichen für so jung zu halten, wie
sie aussehen. Im Übrigen gilt das auch für die Erwachsenen.
Sie kommen von irgendeiner Welt, auf der die Lebensverlängerung
nur eingeschränkt erlaubt ist, hab ich Recht?« Svengali
zuckte die Achseln. »Zumindest haben die meisten Lolitas eine
Ahnung, wie man sich in der Öffentlichkeit zu benehmen hat, im
Unterschied zu diesen strohdummen Leuten da drüben. Das ist auch
verdammt gut so. Es kann nämlich wirklich peinlich sein, wenn
sich die Achtjährige, die man mit einer Kette aus knallbunten
Taschentüchern unterhalten will, als Konstrukteurin der
Webmaschine entpuppt, mit der solche Tücher produziert werden.
Übrigens, wer sind diese Leute überhaupt?«
»Eine Minute.« Eloise wandte sich ab und machte sich am
Bildschirm hinter der Theke zu schaffen. »Das ist ja
merkwürdig«, sagte sie gleich darauf. »Sie kommen alle
aus einem Ort namens Tonto. Sind unterwegs nach Newpeace. Hat einer
von Ihnen schon mal von dem Ort gehört?«
Es schepperte dumpf, als Frank das Glas entglitt und zu Boden
fiel. »Oh, Scheiße«, sagte er nur.
Svengali musterte ihn. »Sie haben Ihr Glas fallen lassen.
Komisch, ich dachte, Sie wären trinkfest. Möchten Sie mir
erzählen, was Ihnen auf der Seele liegt, Großer?«
»Ich hab früher schon Leute von dort kennen
gelernt.« Er blickte auf den Spiegel hinter der Theke und
musterte die fünf adretten Typen mit dem fast identischen
Erscheinungsbild, die Karten spielten und ihn bewusst ignorierten.
Aufgrund des robusten Körperbaus wirkten sie wie Menschen vom
Lande. »Die… hier. Oh, Scheiße. Ich dachte,
die Romanow würde beim nächsten Halt nur auftanken,
aber es muss wohl ein richtiger Anlaufhafen sein.«
Ein Ellbogen stieß ihm in den Rücken; er stellte fest,
dass Svengali ihn wie ein einziges großes Fragezeichen
anstarrte. »Kommen Sie«, sagte der Clown außer
Dienst, »wir ziehen uns in meine Kabine zurück. Ich habe
noch eine Flasche im Koffer. Sie können mir dann alles
erzählen. Eloise, Zimmerparty nach Ihrer Schicht?«
»Ich hab in zehn Minuten frei. Oder sobald mich Lucid
ablöst«, erwiderte sie und sah Frank voller Interesse an.
»Ist die Geschichte gut?«
»Geschichte?«, wiederholte Frank. »Ja, könnte
man so nennen.« Als er zu dem Ecktisch hinübersah, erlebte
er wie in einer Rückblende, wie ihn eiskalte Angst ergriff,
sodass seine Haut zu kribbeln anfing und er ein mulmiges Gefühl
in der Magengegend spürte. »Wir gehen besser still und
leise.« Mathilde, die Anführerin der Gruppe, beobachtete
ihn durch einen der mit Gold eingefassten Spiegel. Ihre Miene wirkte
eher desinteressiert als unfreundlich. Sie sah wie jemand aus, der
überlegt, ob er ein lästiges Insekt wirklich erschlagen
soll. »Ehe die da drüben wirklich Notiz von uns
nehmen.«
»Jetzt gleich?« Svengali sprang von seinem Barhocker und
stützte Frank, indem er ihm mit einem Arm unter die Schulter
griff. Obwohl er viel getrunken hatte, wirkte er irgendwie fast
nüchtern. Was Frank anbetraf, so war er zwar leicht angetrunken,
aber so verängstigt, dass er sich wieder nüchtern
fühlte. Er ließ es zu, dass Svengali ihn durch die
Tür bis zum Fahrstuhl geleitete und später durch einen
engen, nicht ausgekleideten Gang zu einer kleinen, voll gestopften
Einzelkabine. »Kommen Sie, ist gleich geschafft«, sagte
Svengali. »Möchten Sie was trinken?«
»Ich möchte…« Frank lief ein Schauer über
den Rücken. »Ja. Vorzugsweise irgendwo, wo mich keiner
vermutet.«
»Also hier.« Svengali schloss die Tür auf, gab
Frank einen Wink, auf der schmalen Schlafkoje Platz zu nehmen, und
verriegelte die Tür. Nachdem er
Weitere Kostenlose Bücher