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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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örtlichen Versammlungsgebäude ihre Sprechchöre
entgegenzuschleudern. Meistens blieb er bis zum frühen Morgen
und taumelte dann zurück zum großen, leeren Hotel, um sich
ins Bett fallen zu lassen. Aber nicht an diesem Morgen.
    »Ich hab ein schlechtes Gefühl, Junge«, hatte Alice
ihm mitgeteilt und nachdenklich auf den Platz gestarrt. »Ein
wirklich schlechtes Gefühl. Man muss sich um die Hintertür
kümmern, wenn man nicht in die Falle geraten will. Es muss nur
jemand falsch gucken, schon ist die Scheiße hier am
Dampfen…« Durch das Fenster hatte sie auf das riesige
Plakat gedeutet, das fast die ganze gegenüberliegende Mauer des
Platzes einnahm. »Vor allem scheint sich die Spannung derzeit zu
lockern. Und das ist immer ein schlechtes Zeichen.«
    Big Bill strahlte so wohlwollend und freundlich wie jedermanns
Lieblingsonkel auf den Platz hinunter. Ein Sturmtrupp der Polizei
schützte das Plakat bei Tag und bei Nacht vor den
Protestierenden. Trotz der Wachposten hatte es irgendjemand
geschafft, eine mobile Drohne ins rechte Auge des toten Politikers zu
schießen. Die Drohne hatte quer über dessen Iris rote
Farbe gespritzt – eine grässliche Anspielung auf das, was
dem letzten gewählten Präsidenten widerfahren war.
    »Ich hatte auch nicht gerade das Gefühl, die Lage
hätte sich verbessert«, gab Frank zurück. »Aber
geht es nicht schlicht um eine politische Machtprobe? Ewig dasselbe:
Sie werden den Dollar abwerten, ein staatliches
Arbeitsbeschaffungsprogramm in Gang setzen, irgendwer wird ins
Hinterland ziehen, um mit dem Kommandanten Alpha zu feilschen –
und dann läuft’s wieder, oder nicht?«
    Alice schnaubte. »Reine Wunschvorstellung. Die Situation scheint sich nur aufzulockern. In Wirklichkeit bereiten sich
die Scherzkekse darauf vor, etwas wirklich Ernstes
loszutreten.«
    Oben auf dem Dach folgten ähnliche Gespräche. »Es
wird hier bald rund gehen«, sagte Thelma, eine kleine,
sonnenverbrannte Frau, die durch irgendwelche seltsamen
Geschäftsbeziehungen mit einer der öffentlichen Bizintel- Agenturenim Umkreis von Turku verbunden war. Sie
hatte sich Alices Vertrauen erschlichen, indem sie ihren Vorrat an
Brennstoffzellen mit ihr geteilt hatte. Als Frank aufs Dach kam,
arbeitete sie gerade an einer von Alices
»Wanzenschleudern«, die auf einen Dreifuß montiert
war. Die Luft hatte einen Rest nächtlicher Kühle bewahrt,
aber die weite, glatte Himmelskuppel versprach einen weiteren Tag
sengender Hitze. »Hast du von dem Schlamassel gestern am
Kardinalsweg gehört?«
    »Nein, was ist passiert?« Frank streckte einen
angeschlagenen Kaffeebecher, den das Wappen des Hotels zierte, unter
die Tülle von Alices Dünnbier-Mixer und drückte auf
den Knopf. Es knackte und gurgelte, bis endlich ein dünner
Strahl urinfarbener Flüssigkeit heraussickerte, gespeist von den
spärlichen Resten des Wasservorrats im Hotel. Vor zwei Tagen
hatte die Streitmacht zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung den
Hotels im Geschäftsviertel das Wasser abgestellt. Die offizielle
Begründung lautete, es sei ja vorstellbar, dass die Hotels in
die Hände subversiver Elemente gerieten. Praktisch gesehen kam
diese Maßnahme der keineswegs subtilen Aufforderung an die
Kriegsberichterstatter gleich, sich auf schnellstem Wege zu
verpissen, weil wichtige Dinge bevorstanden.
    »Drüben, beim Obdachlosenzentrum an der Westumgehung 4.
Wieder mal ne Autobombe. Jedenfalls hat die Polizei danach das ganze
Gebiet abgesperrt und jeden festgenommen. Das Besondere daran
war, dass der Wagen, der explodiert ist, ein nicht gekennzeichnetes
Polizeiauto war. Eines, das sie dazu benutzt haben, unauffällig
zu verschwinden – bis sie jemand aus dem Widerstand mit der
Kamera ertappt hat. Die einzigen Leute, die verletzt wurden, waren
Wohlfahrtsempfänger, die dort wegen der Stütze Schlange
standen. Ich war unterwegs, um mich mit Ish, einer Informantin, zu
treffen. Es geht das Gerücht, dass Polizisten den Wagen dort
abgestellt hätten, ehe er hochging, und dann davonspaziert
wären.«
    »Aha.« Frank reichte ihr den Becher mit lauwarmem
Schaumbier. »Hast du heute das Glück gehabt, irgendwelche
Berichte von diesem Planeten abschicken zu können?«
    »Komisch, dass du das fragst«, sagte Alice, die
unmerklich zu ihnen gestoßen war. »Irgendjemand hat die
für die Sendungen bestimmten Bilder, die ich bei der Post
aufgegeben habe, in den Reißwolf gegeben und
zerschreddert.« Sie warf Frank einen scharfen Blick zu.
»Warum fragst du

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