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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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kurz in einem der oberen
Schließfächer gekramt hatte, zog er einen Metallflakon und
zwei zusammenklappbare Schnapsgläser hervor. »Also, wie
kommt’s, dass Sie diese Leute kennen?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich sie wirklich
kenne.« Frank verzog das Gesicht. »Aber sie stammen aus
Tonto und wollen nach Newpeace. Und dort habe ich vor Zeiten wirklich
Schlimmes erlebt…«

 
jagdsaison
     
    Newpeace, vor 18 Jahren
     
    Frank und Alice sahen den Anfängen der Demonstration in der
Innenstadt von Samara vom Dach des Hotels Demosthenes aus zu.
Es war ein Flachdach aus künstlichen Steinen, auf dem sich
ursprünglich ein wohl gepflegter Rasen befunden hatte, der an
den Rändern inzwischen verdorrt war. Den Mittelpunkt bildete ein
Schwimmbecken samt Pool-Bar, beides außer Betrieb. Längst
hatte man das Wasser wegen der Krisensituation anderswo zur
Bewässerung eingesetzt. Das Hotelpersonal war
größtenteils verschwunden: Entweder hatte es sich bei der
Streitmacht zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung
dienstverpflichtet, zur Flucht in die Hügel entschlossen oder
aber mit den Rebellen verbrüdert, was auch immer.
    Es war zwar nicht Franks erster Einsatz in einem Krisengebiet,
aber er hatte noch so wenig Erfahrung, dass ihn Alice, eine
sonnengebräunte, blonde, knallharte Veteranin vieler heikler
Schlachten, unter ihre Fittiche genommen hatte. Sie hatte ihm klare
– man hätte auch sagen können: übertrieben
detaillierte – Instruktionen gegeben, wie er die Arbeit in
ihrer Abwesenheit erledigen sollte. Danach war sie ins Herz der
Dunkelheit aufgebrochen, um die eigentliche Geschichte zu
recherchieren, während Frank, ungeduldig wartend, auf dem
Hoteldach zurückgeblieben war. Vor drei Tagen erst war Alice von
ihrer jüngsten Expedition zurückgekehrt, auf der
Ladefläche eines beschlagnahmten Armeelastwagens. Ihre
Ausrüstung hatte aus mehreren Aufnahme-Drohnen und einer
Zauberkiste bestanden, die Wasser in etwas verwandeln konnte, was
billigem Bier nicht ganz unähnlich war – solange die Dosen
mit dem Konzentrat vorhielten.
    Frank hatte sie mit gemischten Gefühlen begrüßt.
Einerseits nagte es ein wenig an ihm, dass sie ihn gern als
Laufburschen einsetzte, der ihr den Rücken frei hielt.
Andererseits war er während ihrer Abwesenheit, als er den Laden
allein geschmissen und zutiefst gehofft hatte, dass nichts passieren
würde, vor Langeweile und Paranoia allmählich
ausgerastet.
    Das Hotel lag unmittelbar am Marktplatz, stand leer und wurde
weder gewartet noch beaufsichtigt, da ausländische
Geschäftsleute oder auswärtige Politiker auf Stippvisite in
diesen Zeiten hier nicht mehr abstiegen. Um das Dachgeschoss mieten
zu können, hatten sie sich bei dem Besitzer, einem
Geschäftsmann mit nervösem Augenzucken namens Vadim
Trofenko, der kein Einheimischer war, erst einmal einschmeicheln
müssen. Sie hatten ihn mit Münzen puren Goldes bezahlt,
deren Spur nicht zurückzuverfolgen war. Offenbar war diese
Währung die einzige, die in diesen schlimmen Zeiten noch zog. Es
war unglaublich schwierig gewesen, das Gold zu besorgen. Alice hatte
dazu eine einwöchige Reise in die Umlaufbahn machen müssen,
und Frank hatte das Büro notgedrungen ganz allein
weitergeführt. Aber wenigstens hatte das Geld ihrer Agentur
dafür gesorgt, dass sie die Penthouse-Suite hatten mieten
können, so verwahrlost sie auch sein mochte. Die meisten der
übrigen Kriegsberichterstatter – wie die
Schmeißfliegen hatten sie sich auf die verwundete Stadt Samara
gestürzt, um ihren Niedergang und das Chaos des
Bürgerkriegs unmittelbar vor Ort zu verfolgen - hatten erfahren
müssen, dass sie weder für Geld noch gute Worte Unterkunft
finden konnten.
    Während der Abwesenheit seiner Chefin hatte Frank den Laden
am Laufen gehalten. Tagsüber hatte er Artikel über die
Überreste einer Epoche und Kommentare zu den menschlichen
Aspekten des Bürgerkriegs herausgehauen. Abend für Abend
war er wie ein Vampir, der sich vom Schmerz anderer nährt, vom
Hoteldach heruntergestiegen, um auf die Straße zu gehen und mit
den Menschen in den Kaffeehäusern und Bars oder an den
Straßenecken zu sprechen. Dabei hatte er das Lokalkolorit
eingesogen und ernsthaft genickt, wenn die Leute ihm von ihrem Kummer
und Leid berichtet hatten. In letzter Zeit hatte er sich
angewöhnt, mit dem Aufnahmegerät am Marktplatz
herumzuhängen, denn dort sammelten sich die Studenten und
Arbeitslosen, um den stoischen Polizeiketten und den nackten Fassaden
der

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