Surf
Geld alle und die Zeit abgelaufen war, in einer schäbigen Pinto enden konnte. Aber die Jungs hatten etwas, was man Feuer nennen konnte; ich stellte mir vor, wie sie sich am glatten, eiskalten Wasser ihrer Heimatstadt versuchten (ein Hafen, den mein Großvater im Zweiten Weltkrieg mit einer B-17 bombardiert hatte), von Kalifornien träumten, vielleicht hinterher eine Tasse Kaffee tranken und den News-Flash im Surfer lasen, der von perfekten Wellen vor den Osterinseln berichtete.
Es war eine diesige Frühjahrsdämmerung, der Nebel dick, die Mohnblüten wieder fest eingerollt, und das gesamte, riesige Rosenkohlfeld war jetzt von einem schreiend halluzinogenen Gelb unter den niedrigen Wolken, am Strand glänzten kleine See-Erbsen im Sand, und alles blühte violett. Scharfkantige Wellen schoben sich durch die stille, nebelverhangene See. Und die Hügel strotzten so grün vor frischem Gras, dass der Sauerklee nicht mehr die einzige Farbe war; zarte, saftige Hemlocksprossen ersetzten die alten, abgestorbenen und schwankten in der Brise wie wilder Weizen. Ich dachte erneut daran, diese ganze Szenerie mit Sprache zu uberdecken, und fragte mich, ob das Geheimnisvolle daran, wie man auf einen Ort reagiert, nicht im unbeholfenen Spiel mit möglichen Wörtern liegt, in der Empfindung von Bedeutungen und Poesie, im Erhabenen, Romantischen, Pittoresken, im Zen, manchmal sogar in etwas Neuem. Und vielleicht entstammt der Stich der Enttäuschung, den man immer angesichts seiner Wortwahl empfindet – und somit auch angesichts des herrlichen Schauplatzes dem Traum, dass im Augenblick der Unentschlossenheit und der allergrößten Entschlossenheit, bevor der Verstand die Reaktion auf Schönheit begreift, du vielleicht eine Sprache besessen haben könntest, die mit der ganzen Bedeutung der Erde erfüllt war.
Früh ans Wasser zu laufen, um vor dem Wind dort zu sein, um in den kleinen Wellen einer Art Salztherapie für die Haut zu frönen: Dabei geht es, und das weiß ich jetzt genau, nicht um den Kitzel des Risikos oder den Stolz auf etwas Erreichtes, sondern vielmehr darum, täglich seine Zeit richtig zu verbringen, um eine Anhäufung von Augenblicken –, die Anhäufung von Momenten, die für nichts anderes stehen als für einen ganz privaten Sinn für Wohlgefühl. Und wohl oder übel hat das Surfen einen engagierten Vogelkundler aus mir gemacht – ich nehme an, weil man in diesen Tagen so lange zwischen den Wellen herumsaß, die Winterdünung weg, die Südwinde des Sommers noch nicht da. Man trieb nutzlos dahin, beobachtete, was immer es zu beobachten gab; interessierte sich besonders für alles, was sich emporschwang. Vielleicht auch, weil Vögel ebenso viel durch die Luft schwimmen wie sie fliegen. Sie zeigen uns, dass wir in einem Äther leben – nicht in einem Vakuum – und dass wir nicht einer Leere gegenüberstehen. Vor diesem Jahr hatte ich mir überhaupt nichts aus Vögeln gemacht, fand allein die Idee öde. Noch immer kann ich mit Singvögeln nichts anfangen, obwohl ich mir vorstellen kann, dass der Zeitpunkt kommt, an dem mir ihre harmlose Fröhlichkeit und Leichtlebigkeit als angemessenes Ideal erscheinen wird. Obwohl er immer noch hart arbeitet und am Wochenende klettert, sagt mein Vater, für ihn sei es das schon. An Sonntagnachmittagen ist für ihn weltlicher Ruhetag, dann empfängt er keine Besucher, sondern sitzt dort in Berkeley auf einem Klappstuhl im ungemähten Gras und praktiziert seine neueste Besessenheit: Flamenco-Gitarre. Komplexe Griffe, spanisches Drama und Leidenschaft – während er (mit dem abwesenden, starren Blick des Musikers) dem Vorratshorten des ortsansässigen Eichhörnchens zusieht. Und er schwört, dass an Abenden, an denen es warm genug ist, dass er und Mom draußen sitzen und Wein trinken können, alle Spatzen der Umgebung sich bei Sonnenuntergang auf den Hochspannungsleitungen versammeln – und nicht einer von ihnen gen Osten blickt. Auch ein guter Ausblick, kann ich mir vorstellen, vorbei an einer riesigen Monterey-Pinie im Nachbargarten, über die Schwemmlandebene mit Berkeleys Lagerhallen, über die Bucht zur sagenhaften Bergform des Tamalpais – einer schwarzen Platte, die über der Farbe der hereinbrechenden Nacht liegt.
Als ich allein die Straße hinunterging, war dort über dem Getöse des Meeres die einheimische Kornweihe. Sie jagte in der kleinen Schlucht zwischen Binsen und Weiden, ein einsamer Segelflieger unter Gemeinschaften aasfressender Möwen und tauchender, verliebter
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