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Surf

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Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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Klamotten, die in diesem milden Klima sowieso nur lästig sind. Rein ins Wasser, ring mit dem Meer.» Gesundheit, Stärke, Nacktheit und Eroberung – das sind die Begriffe, mit denen London das Surfen in Verbindung bringt. Ein einziger erfolgreicher Wellenritt zusammen mit Alexander Hume Ford und George Freeth genügt, dass er «von diesem Augenblick an verloren» ist; durchaus verständlich. Das vermutlich von Ford initiierte Triumvirat ist in der Tat recht beeindruckend. London schreibt über seine Surfsession, als habe er die beiden Männer zufällig inmitten der Wellen getroffen, was wohl eher unwahrscheinlich ist. Ford, dem Pionier des Tourismus auf Hawaii und Verleger des Hawaiian Annual , musste klar gewesen sein, dass es sich für ihn fürstlich auszahlen würde, wenn er dem berühmten Jack London einen unterhaltsamen Zeitvertreib präsentierte: London wurde pro Wort für seine in Fortsetzungen abgedruckten Bücher bezahlt und suchte ständig nach Stoff. Auch Ford hätte keinen besseren Surflehrer als den Irisch-Hawaiianer Freeth finden können, den später eine südkalifornische Eisenbahngesellschaft aus genau demselben Grund einstellte, nämlich um Surfdemonstrationen abzuhalten, in der Hoffnung, dadurch mehr Touristen in die Region zu locken. (Freeth machte schließlich Karriere als Rettungsschwimmer in Kalifornien und starb recht jung während einer Rettungsaktion.) Hinterher legt sich London zwei Tage lang mit einem bösen Sonnenbrand ins Bett (wo er ohnehin fast immer schrieb). «Eines habe ich mir fest vorgenommen», erklärt er zuversichtlich, «die Snark wird erst aus Honolulu absegeln, wenn auch meine Fersen von der Rasanz des Meeres beschwingt sind und ich zu einem sonnengebräunten Merkur mit pellender Haut geworden bin.» Wegen seines fürchterlichen Gesundheitszustandes endet die Kreuzfahrt fünf Jahre früher als geplant, doch nicht ehe er dem geliebten Sterling, seinem «männlichen Seelenverwandten», ein paar Geschenke gekauft hat. Von den Solomon-Inseln, so berichtet Walker, schreibt London, «er habe [Sterling] nicht nur Speere und Kriegskeulen mitgebracht, sondern auch das Geschlecht einer Eingeborenen, ‹eine Klitoris, getrocknet, mit allem Drum und Dran›, und zwar als Ohrschmuck, wie es sich gehört.»
    Im Laufe der Zeit fand ich heraus, dass sich der Otter hier am Point mit seinen grauen Barthaaren, schwarzen Augen und kräftigen Pfoten am liebsten von Miesmuscheln und den violetten Seeigeln ernährte, die in den Prielen zwischen den Felsen hausten. Und das war gut so, weil diese stacheligen Pflanzenfresser die Seetangwälder vernichten und seetangfreie Seeigel-Wüsten hinterlassen. Und so wie das Seegras dazu beiträgt, dass die Brandung ihre Form behält, indem es Unebenheiten in der Kabbelsee glättet und die langwellige Grunddünung durchrollen lässt, so leistete der Otter mehr als nur eine optische Verschönerung dieses Ortes: mit jeder Mahlzeit trug er zur Qualität der Wellen bei. Gelegentlich fraß er auch die Krabben, die in den schmalen Felsritzen hausten, aber ansonsten rührte er kaum etwas an. Ich beschloss zwar, dem legendären hawaiianischen Surfer, Wassersportler und olympischen Goldmedaillengewinner Duke Kahanamoku nachzueifern und nie wieder Haifischfleisch zu essen – schlechtes Karma –, aber in einem mit Zedernholz getäfelten Sushi-Lokal probierte ich dann trotzdem die Nahrung des Otters, wenn auch in leicht abgewandelter Form: Seeigel in Rotalgen auf Reis (von der Konsistenz etwa wie Pudding) und Krabben in einer California-Roll. Natürlich trank ich auch ein wenig heißen Sake, und der Wasabe trieb mir das Wasser in die Augen, die Meeresfrüchte verzehrte ich jedoch genau wie der Otter: in Form von Sashimi. Und während ich über dessen andere Optionen nachdachte, etwa Röhrenwürmer, fand ich, dass er einen recht guten Geschmack hatte, auch wenn er auf Venusmuscheln und Abalone verzichtete und offenbar nicht, wie andere heimische Otter, Jagd auf große Seevögel (Kormorane, Seetaucher und Möwen) machte.
    Eines frühen Morgens, es nieselte, verschloss ich meinen Pick-up in der Nähe eines buchstäblich über den Highway ausgewalzten Rehs, von dem nur noch ein furchtbarer, gespenstischer Schmierfleck übrig geblieben war, der aussah, als hätte ihn ein 100 Meilen die Stunde fahrender 18-Wheeler-Truck zu verantworten. Eine riesige Eule hüpfte in großen Sprüngen über den Kadaver – ihre letzte Beute vor Tagesanbruch –, dann machte sie sich über das

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