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Surf

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Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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hauptsächlich weil dieser nicht ausreichend über den Surferkodex der Coolness informiert war und gar nicht anders konnte, als offen und freundlich wie immer zu sein. Als die beiden aber zwischen den Wellen miteinander plauderten, konnte ich doch aus Vinces Tonfall eine gewisse Reserviertheit heraushören. Offenbar hatte er den Eindruck, dass Orins Freundlichkeit der ähnelte, die man im Ausland an den Tag legt, wenn man das einfache Leben der Einheimischen toll findet und dies für echte Geistesverwandtschaft hält. Vielleicht hatte Vince sogar Recht, aber, wie gesagt, Orin meinte es gut, und außerdem war er an einem Wochentag meinetwegen hier herausgefahren; zudem besaß er die Höflichkeit und Offenheit, mit Vince ein Gespräch zu führen und somit dessen Status als Herr im Haus und Gastgeber anzuerkennen.
    Während Orin sich auf einem abgestorbenen Grasstück unter den Bäumen trocknen ließ, rief er per Mobiltelefon bei der First Boston in Manhattan an, um sich nach einem potenziellen Investor zu erkundigen. Sein Tonfall schlug mühelos in den eines professionellen Finanzmanagers um; und während er sprach, ließ er Vince nicht aus den Augen, Vince, den Erwachsenen, der immer noch im Wasser war, allein, an einem abgelegenen Strand, an einem späten Montagmorgen. Alle Welt arbeitete, während dieser gebildete, erwachsene Vertreter der Mittelklasse auf einer sauberen Eineinhalb-Meter-Welle hinunterfuhr, zur Brechungskante zurück carvte und sich in die Luft katapultierte, während Orins kleines Mobiltelefon ihn via Satellit mit dem fernen Büro eines fernen Analysten verband. Sichtlich zufrieden mit dem Anruf, steckte Orin sein Telefon wieder ein und geriet ins Grübeln: die Brauen gerunzelt, die Hände zu Fäusten geballt – er befand sich in einem Augenblick des Übergangs, erwog die Alternativen blickte er immer wieder zu Vince hinaus, der allein im Wasser geblieben war und dem es offenbar überhaupt nichts ausmachte, bald kein Publikum mehr zu haben.
    «Arbeitet er irgendwas?», fragte Orin. Dann ließ er den Blick übers Meer schweifen, hinauf zu den mittlerweile grünen Hügeln und wieder zurück: auf einen Surfspot und einen Sport, den Vince nun seit dreißig Jahren praktizierte und dessen ganzes Berufs- und Privatleben um die Anforderungen dieser Sportart herum organisiert waren. Verpasste Beförderungen, eine Professur völlig ausgeschlossen, keine Altersversorgung, kein sicherer Arbeitsplatz. Jeden Tag aufs Neue verbrauchte er seine Kräfte auf dem Wasser. «Unfassbar, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, das hier zu besteuern», sagte Orin vergnügt. «Ich meine … es ist umsonst!»
     
    Zeitschriften sagen viel über einen Menschen aus: Nachdem ich zwei Monate ein fast anonymes Leben geführt hatte, in dem sich alles ums Wasser drehte, nur einmal nach zehn Uhr abends noch wach gewesen war und nur zwei-, dreimal länger als bis sechs Uhr morgens geschlafen hatte und zu befangen war, um online nach virtuellen Freunden zu suchen, hatte ich, fast ohne es zu bemerken, auf dem Postweg Gesellschaft gesucht: Outside , eine bunte Mischung aus Fun und aufregendem Sport; Sierra , Nebenprodukt meiner Mitgliedschaft im Sierra Club, erworben in einem Augenblick, als mein schlechtes Gewissen mir eine gute Tat abverlangte und eine attraktive Vertreterin an meiner Tür erschien; Surfing , dessen Zielgruppe offenbar die 14- bis 16-Jährigen waren, aber voll gepackt mit klasse Fotos, gut für etwa zwei allein verbrachte Mittagessen und ein bis zwei Wochen Klositzungen; Surfer , für die 18- bis 20-Jährigen, aber mit ein wenig Text, der Höhepunkt meines Monats; The Surfer's Journal , mit neun Dollar pro Ausgabe ein kostspieliges Abo, aber die vierteljährlich erscheinenden, langen, nachdenklichen Artikel reichten für fast eine Woche Solo-Abendessen und Surfnostalgie, und die prächtigen Fotos hatten fast Sammlerwert; Climbing , nur um mich zu erinnern, wer ich einmal gewesen war, was meine früheren Ambitionen gewesen waren; Rolling Stone , als Ersatz für ein echtes Leben unter Menschen; und schließlich The New Yorker , ein Geschenk meiner Eltern, nachdem in dem Magazin ein sehr schön geschriebener zweiteiliger Artikel über das Surfen am Ocean Beach in San Franciso erschienen war – das Heft war freilich nicht fleißig genug in seiner Berichterstattung über den Sport, aber dennoch interessant.
    Die Zeitschriften lagen wöchentlich in unserem verrosteten Briefkasten mitten auf der Veranda, auf der zwei

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