Surf
Pleasure Point in Autos und in Höhlen an der Flussmündung campierte. «Es war ein geruhsames Leben damals, an einem sauberen Strand», erinnert er sich, «es roch nach den Fischen, die man als Köder benutzte, und dem Nebel, der über der Bucht hing; das Wasser war nicht so kabbelig wie an der Steamer Lane. Es war unser nördliches Malibu.» Neoprenanzüge gab's auch nicht: mit einem Second-Hand-Wollhemd für 15 Cent und auf den Knien paddelnd konnte man eine halbe Stunde im Wasser bleiben, bevor man seinen unterkühlten Körper an einem Feuer aus Treibholz aufwärmen musste. Van Dyke erinnert sich, wie er einmal gerade auf einer Welle ritt, auf der ein Freund bodysurfte; vor ihm sprang ein Königslachs aus dem Wasser, und hinter ihm schwamm ein Seelöwe. Er erinnert sich sogar, dass er sich damals mit einem Seehund anfreundete, der sein Brett zurückholte, wenn es abtrieb.
An einem Herbstnachmittag mit strahlend blauem Himmel wühlten Seewinde auf ihrem Weg die Küste hinab den Point auf, umgingen aber die Buchtmündung, wirbelten die Santa Cruz Mountains hoch und drehten am Leuchtturm von der Küste ab, wobei sie eine saubere, gerade Brandung erzeugten. Ungefähr sechzig Surfer waren draußen, Radfahrer fuhren im herbstlichen Sonnenschein, ein Rollschuhfahrer vollführte seinen täglichen Tanz auf alten, zweiachsigen Rollschuhen; der archetypische Golden-Age-Surfer stand in Bronze gegossen in einer Blumenrabatte: ein Mann von mittlerer Größe mit Bürstenschnitt und ausgeprägter Muskulatur, der Shorts (!) trug und ein riesiges Longboard auf alte Art umfasst hielt: senkrecht an den Rücken gepresst, mit beiden Händen von hinten gehalten. Um den Hals trug er eine frische Blumenkette, eine Bank ganz in der Nähe trug die Widmung «Zum Andenken an alle Surfer, die ihre letzte Welle geritten haben». (Die Städte Santa Cruz und Huntington Beach sind unlängst vor Gericht gezogen wegen des alleinigen Rechts, die Bezeichnung «Surf City» führen zu dürfen). Ich schlüpfte gerade in meinen Neoprenanzug, als eine Reihe tropfnasser Surfer vorbeimarschierte – weil die Ritte so lang und die hereinkommende Strömung so stark war, gab es nur einen vernünftigen Weg, wieder rauszukommen: den zu Fuß an der Klippe entlang. Von unberührter Natur keine Spur; am Fuß der Treppe bot ein grauhaariger Kiffer mit verspiegelter Sonnenbrille gratis «Verbesserungen der Lebenseinstellung» an. Weit draußen donnerten richtige Klopper, während sich entlang der Klippe kleine, schnelle Wellen brachen. Ich blieb bei Letzteren, tauchte und wartete, bis ich eine lange Welle bekam, verlor mich in ihrem Rhythmus, ihrer Richtung und ihrer Dynamik. Sie wollte gerade am Kamm brechen – der Teil, in den du reingehst, den du rippst –, und ich fuhr leichtfüßig ihren Rücken: ein herrlicher Moment der Schwerelosigkeit, bevor die Schaumwalze dich an Land trägt.
Wieder draußen: Überbevölkerung, begrenzte Ressourcen, kein Augenkontakt. Ich paddelte mit durchgedrücktem Rücken, um Haltung, Aggressivität zu signalisieren; das Schlimmste, was man tun kann, ist, schlaff auf dem Brett liegen, weil das auf mangelhafte Anpassungsfähigkeit und fehlende Entschlusskraft hindeutet. Also hält man den Kopf in der Menge hoch und krault kräftig in einen strikt zivilisierten Raum: strenge Verkehrsregeln, die zu befolgen sind, ein ganz klarer Kodex, der bestimmt, wer die Wellen für sich beanspruchen darf. Doch dann bekam ich mühelos eine schöne Welle, und niemand anderer als Apollo schob sich vor mich, womit er eindeutig gegen die Vorschriften verstieß. Plötzlich kam er mir so klein und jung vor, dass ich ihn die Welle hinabkurven ließ, bis ich ihm einen leichten Stubs von der Welle hinunter geben konnte. Als ich an ihm vorbeisurfte, blickte er wütend hoch und versuchte, mich zu rammen. Als das misslang, schrie er irgendwas wie, er habe nicht übel Lust, sein Brett gegen meinen Kopf zu donnern. Als ich die Welle abgeritten hatte und zurückpaddelte, kam ich in die ideale Lage, Apollo den Dienst, den er mir erwiesen hatte, heimzuzahlen:
«Was machst du denn?», kreischte er, als ich mich vordrängte.
«Dich ärgern», erwiderte ich lächelnd, «so wie du mich geärgert hast.» Ich ließ mich wieder zurück zur Brechungskante fallen und zwang ihn dadurch ins Weißwasser und aus der Welle heraus. Hinterher paddelte ich zu ihm und fragte ihn, was er eigentlich erwartet habe.
«Du weißt ja gar nicht, was du tust», antwortete er völlig
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