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Surf

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Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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hat immerhin von riesigen, amorphen Lebensformen gehört, die ihre lichtlosen Tiefen bevölkern, von riesigen umhertreibenden Quallen. Wir liefen den Strand etwas höher hinauf, die Bretter unterm Arm, neben Schwärmen kleiner Strandläufer, die in dem ein- und ausströmenden Schaum hin und her flitzten, die Beinchen zu dünn, als dass man sie sehen konnte, die Körper scheinbar im Wasser treibend wie Fische. Etwas weiter neben dem Spot, den wir uns ausgesucht hatten, flog ein anderer Schwarm in der Brise – die Oberseiten dunkel, die Unterseiten weiß, blieben sie in so strenger Formation, dass sie beim kollektiven Querlegen in die Kurve ihre weißen Bauchfedern aufblitzen ließen und wie ein Schwarm tropischer Fische wirkten, auf denen sich die Sonne spiegelt. Als wir hinauspaddelten, verfolgten uns aus zehn Meter Entfernung drei Robben lange und eingehend mit ihren Blicken. Dann tauchte eine von ihnen unter und schwamm genau auf uns zu. Ein unheimliches Gefühl: dir geht auf, dass deine Beweglichkeit bloß zwei Dimensionen hat und dass du eine Schnecke in einem Feld voller Schlangen bist.
    Die Wellengipfel der Brandung am Strand verschieben sich, wenn die Sandbänke durch Dünung und Gezeiten abwandern; ganz anders die Riffbrandung, bei der man immer auf demselben überspülten Stein warten kann. Wir paddelten nach links, dann nach rechts, dann hinaus, und die Wellen kamen wunderbar uniform herangerollt – aber auch anders als sonst bei Riffbrandung, bei der sogar die symmetrischsten Wellen am Felsenriff hier und da ausfransen, wenn sich die Tiefe ändert. Aber Sand unter dem Wasser beruhigt sich zu glatten, organisierten Formen wie eine dichtere Flüssigkeit auf einer anderen. Skinny rief mir ununterbrochen zu, «reinzugehen», mich unter der ansteigenden Dünung zu ducken und sie mir zu schnappen. Anfangs konnte ich an die Tube überhaupt nicht herankommen. Doch dann schrie mir Skinny zu, ich solle abwarten und auf einen Wellengipfel über mir genau im Moment seiner Brechung aufspringen. Ich kam von der Seite heran, und als die Welle richtig dröhnte, hatte ich das seltsame Gefühl, dass sich das Licht um mich herum veränderte und sich vielleicht sogar die Zeit verlangsamte, und dann wurde ich zweimal um mich selbst gewirbelt und voll auf den Sandboden geschleudert. Prustend kam ich hoch, war aber wie elektrisiert; versuchte es wieder und wieder und begriff langsam. Ich schaffte es nie aus einer Tube heraus, doch jedes Mal, wenn ich mich duckte, hatte ich dasselbe Gefühl der Phasenverschiebung. Immerhin sind Wellen durch Masse bewegte Formen, Energiebündel, die ihren Ausdruck in der Krümmung finden: Wenn eine Krümmung ihre Form wegen einer flachen Sandbank nicht halten kann, bündelt sich ihre Energie, bis sie sich über sich selbst erstreckt und eine neue Wellenform findet, indem sie Wasser verdrängt, um die Krümmung zu schließen; dabei bildet sie den ursprünglichen Bogen, aber mit einem hohlen, rotierenden Innern. In ihm steht der Surfer. Der Bergsteiger dringt nie richtig ins Innerste des Berges ein, der Wanderer bleibt in seinem visuellen Gefängnis, der Surfer aber dringt körperlich ins schlagende Herz des Meeres ein – und das ist keineswegs metaphorisch gemeint dringt ein in seine Substanz, von seiner Dynamik in einen kinetischen Strudel gerissen. Sogar auf einem Floß bewegt man sich mithilfe eines Mediums, das selbst von Schwerkraft bewegt wird, ähnlich wie auf einem Windsurfboard oder auf Skiern. Solange niemand herausfindet, wie man sich auf Tönen oder Licht fortbewegen kann, bleibt Surfen die einzige Möglichkeit, die pure Energie zu reiten.
    Da kam ein sehr kräftiger Bursche herangepaddelt – er sah aus wie James Dean nach einer Anabolikabehandlung – und fragte mich, wobei er sich sehr bemühte, nicht besserwisserisch zu klingen, ob ich einen Tipp fürs Tube-Reiten wolle.
    «Unbedingt», erwiderte ich.
    «Halt stets die Augen auf.» Zusammen lachten wir laut los, und dann stellte er sich ganz herzlich und sympathisch vor, was so gar nicht zu seinem martialischen Äußeren passte. Er erklärte, er sei gerade aus dem Süden hierher gezogen. «Weißt du was?», fragte er grinsend.
    «Was?»
    «Ich bin schier am Platzen, Mann.» Er hatte ein scharfkantiges Kinn und perfekte Zähne.
    «Warum?»
    «Allein dass ich hier in Santa Cruz bin, sagt mir, dass ich einen Sprung gemacht habe. Ich weiß, es wird alles anders.»
    «Was denn?» Wir saßen beide auf unseren Brettern und trieben

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