Surf
eingeschnitten hatten, die jetzt aber trocken waren. Vince fragte Willie nach Pascales Unzufriedenheiten im Laufe der Jahre, und Willie gab zu, dass es diese gab.
Während Vince vorsichtig um einen öliggrünen Giftsumachbusch herumging, hielt er inne, um darüber nachzudenken. Er gab zu, dass er Fran nicht genug Achtung entgegenbrachte. Mir fiel ein, wie ich Vince einmal draußen auf seinem sonnigen Rasen mein Longboard gezeigt hatte, während Fran in einem Korbstuhl saß und Tschechow las. Irgendwann einmal sah sie auf, und verborgen hinter ihrer schwarzen Sonnenbrille fragte sie mich geistesabwesend, ob ich schon einmal auf einem Longboard mit Doppelfinne gesurft sei. Und das von einer Doktorandin in Philosophie, die nicht einmal Krocket spielte – geschweige denn jemals surfte – und weder überhaupt wusste, wie sich ein Longboard mit Doppelfinne verhielt, noch sich dafür interessierte. Doch in ihrem Ton war keine Spur von Ironie oder Spott; sie machte sich nicht über unsere Kleinejungenspiele lustig. Sprachbegabt wie sie war, hatte sie einfach den Jargon gelernt, ihn als einen wichtigen Bestandteil des Mannes, den sie liebte, angenommen, und die Frage dem neuen Freund ihres Mannes aus Höflichkeit gestellt.
Die Rinne führte auf den langen, offenen Strand, der voller Treibholz lag und nach Seetang roch. Die Wellen schimmerten milchig grün; rasche, kleine Abfolgen, auf denen wir uns abwechselten. «Und los geht's», sagte Vince und nickte Willie und mir zu, als er erneut lospaddelte: «Religiöse Fanatiker am Werk!» Mehrere Stunden später gingen wir todmüde zum Auto zurück und fuhren in ein mexikanisches Restaurant zum Mittagessen; stabile Fahrräder mit breiten Reifen lehnten an einer Bank, von der Terrasse sah man über die blaue Bucht, in die der Südpazifik rauschte, und die Restaurantbesitzerin brachte uns Tacos mit Kabeljau und hausgemachter Salsa, schwarze Bohnen, Chips und Bier mit Zitronenschnitzen. An einem anderen Tisch saßen drei junge Surfer-Paare, jedes mit einem ganz kleinen Baby. Ein großer Mann mit vorspringender Nase und Adamsapfel sah etwas verwirrt und glücklich drein, drehte seinen Kaffeelöffel zwischen den Fingern und erwähnte einen weiteren Surfer-Bekannten, der gerade Vater geworden war. Nasal gedehnt, die Augen halb geschlossen sagte er: «Jeeeda hat jetz eins.»
Als ich Mango-Habanero-Salsa auf meinen letzten Taco löffelte, musste ich an Susan denken und wie sehr sie sich wünschte, dass die Dinge, die wir zusammen unternahmen, mir denselben Kick gaben wie das Surfen.
«Na ja», sagte Willie, «sie hat's wohl auf den Punkt gebracht. Du wünschst dir wahrscheinlich dasselbe.»
«Genau das habe ich ihr gesagt.»
«Du hast ihr das gesagt ? Mann, echt abgebrüht.»
«Genauer gesagt», fuhr ich fort, «lautet ihre Lieblingslitanei zurzeit, ich wolle geradezu, dass sie vom Surfen genervt sei.» Es stimmte – sie hatte mich durchschaut. «Sie hat jetzt die fixe Idee, sich über mein Surfen aufzuregen, würde mir erlauben, mich rebellisch und männlich zu fühlen, und sie würde mir somit etwas liefern, über das ich mich dann bei euch beschweren könnte.»
Willie nickte bestätigend und zog sein Hemd aus. An der Küste Kaliforniens gibt es diese seltene mittwinterliche Wärme, für die man einfach nur dankbar ist: sanft, zugleich kühl und warm, eine völlig unbedrohliche Sonne, smogfreier Himmel so klar, dass wir in der Ferne windzerzauste Bäume entlang der Santa Lucia Mountains erkennen konnten.
«Mann», sagte Vince, versunken in den Anblick einer erstaunlich großen Reihe blauer Wände, die von der Klippe abdrehte und über die ganze Bucht Bögen zog. «Oh, là là… die sind ganz schön breit gezogen.»
«Jungs, seid ihr bereit für das Familien-Psychodrama?», fragte Willie, die Hände über dem gebräunten Bauch gefaltet. «Bei dem du als Baby zwischen deine Beine schaust», er führte es vor, «und dann dasselbe bei Mama, und da hast du dann ein Problem am Hals –, la différence . Du weißt Bescheid, Dan, oder? Die Wunde der Männer?»
Ich schüttelte den Kopf.
«Deine Mama ist zu der Zeit deine ganze Welt, stimmt's? Dein Universum. Und da musst du feststellen, dass du anders bist. Offenbar haben Frauen dieses Problem nicht, denn sie werfen nur einen Blick auf Mama und sagen, hey , wir sind gleich, du und ich. Nicht nötig, dass sie ihre Existenz weiter rechtfertigen.»
«Lasst uns zahlen», sagte Vince und versuchte, die Aufmerksamkeit der Kellnerin auf
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