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Survive

Survive

Titel: Survive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Morel
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Hände und halte sie dann einfach fest. Tief in meinem Herzen glaube ich, dass dies der echte Paul ist. Unter all der künstlichen Fassade steckt ein Junge mit einem guten Herzen, der einfach Angst hat, er selbst zu sein. Aber warum?, frage ich mich. Es wird gut ausgehen, glaube ich. Alles wird gut werden.

Kapitel 20
    Ich erwache aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Ich fühle mich körperlich müde und schlapp, aber geistig fit und wie neu geboren. »Der Schlaf der Gerechten«, pflegte mein Großvater zu sagen. Ich war bei meiner Familie für meine erstaunliche Schlaffähigkeit bekannt, und ich konnte mit einem einzigen Nickerchen den ganzen Tag verpennen. Doch ich habe mich nie gut ausgeruht gefühlt, nur depressiv, träge und leer.
    Durch eine Ritze in der Tür fällt Licht. Mein Körper ist noch immer erschöpft, aber der kleine Lichtpunkt zieht mich magisch an. Ich greife hinter mich, um Paul zu berühren, da bemerke ich, dass er nicht da ist.
    Für einen Moment gerate ich in Panik, und der Gedanke, er könnte mich zurückgelassen haben, lässt mein Herz rasen. Schnell drehe und winde ich mich in unserem winzigen Kämmerchen hin und her. Ich brauche etwa eins Komma drei Sekunden, um mich in der Flugzeugtoilette (auch unser Überlebensbunker genannt) umzusehen: Kloschüssel: anwesend; Waschbecken: anwesend; Vorräte: anwesend; Paul: nicht anwesend.
    Dann entdecke ich einen Zettel, der an einer Wollmütze lehnt, die sorgfältig zwischen der hinteren Wand und der Kloschüssel positioniert ist. Der untere Rand des Zettels ist in den umgeschlagenen Saum der Mütze gesteckt, sodass sie aussieht wie ein altmodischer Briefständer. Der mit schwarzer Tinte in typisch männlicher Krakelschrift beschriftete Zettel besteht aus einem kleinen Stück herausgerissenem Papier. Das Papier ist dick und leicht strukturiert, als stamme es aus einem Tagebuch oder einem teuren, altmodischen Notizbuch. Ich greife danach und lese.
    Solis – bin auskundschaften – bleib, wo du bist – komme dich holen. P.
    Unter der Mütze erspähe ich eine Ecke des kleinen schwarzen Buchs, das Paul während unseres gestrigen Plünderzugs in das Futter seiner Jacke gesteckt hat. Eine Erinnerung flackert durch mein Hirn, und ich sehe wieder seinen etwas kummervollen Gesichtsausdruck, als er das Büchlein kurz betrachtet hat. Ich greife danach, und obwohl mir meine innere Stimme eindringlich verbietet, es zu öffnen und so neugierig zu sein, in seine Privatsphäre einzudringen, mir einfach Zugang zu etwas zu verschaffen, was ihm heilig ist – erliege ich der Versuchung. Es schien ihm solchen Kummer bereitet zu haben, begründe ich vor mir selbst mein Verhalten, vielleicht kann ich ihm ja helfen. Schließlich bin ich, rede ich mir ein, erfahren in der Kunst der Psychologie. Nur ein flüchtiger Blick, ein paar Informationen tanken und dann die Diagnose – an die sich vielleicht gar eine Heilung anschließen könnte. In jedem Fall sollte ich mehr über ihn wissen, überlege ich. Schließlich könnte er sonst wer sein.
    Ich befühle zuerst den Einband. Das schwarze Leder ist glatt und abgegriffen. Ich öffne den Buchdeckel. In die Innenseite des Ledereinbands ist ein Name geritzt, der jedoch durchgestrichen wurde. Trotzdem kann man ihn noch erkennen: Will Hart. Für Paul steht in blauer Tinte darunter.
    Im Buch steckt ein Foto, das Paul und, wie ich annehme, Will zeigt. Sie sehen aus wie Zwillinge, aber Will ist offensichtlich etwas älter als Paul. Das Bild wurde in einem Krankenhauszimmer aufgenommen, und Will trägt blaue Krankenhauskleidung. Pauls Gesicht wirkt traurig und niedergeschlagen und gleichzeitig sehr gefasst. Ich drehe das Foto um, und in der oberen rechten Ecke steht: Wills achtzehnter Geburtstag.
    Die Seiten des Tagebuchs sind leer und kleben so aneinander, als wären sie noch nie umgeschlagen worden. Ich blättere mit dem Daumen durch das Büchlein und suche nach irgendwelchen Spuren, aber da ist nichts.
    Ganz hinten versteckt finde ich einen Brief, der auf etwas geschrieben ist, das mein Großvater Zwiebelhautpapier genannt hätte. Das Papier ist dünn und praktisch durchsichtig. Damals, in der Zeit vor E-Mails und SMS , hat man dieses Luftpostpapier benutzt, um bei Briefen ins Ausland Geld zu sparen. Mich wundert, dass es dieses Zeug überhaupt noch gibt.
    Ich öffne den Brief und lese.
    Paul,
    ich habe Dad gebeten, dir diesen Brief nach meinem Tod zu geben. Ich kann nicht glauben, dass ich tot bin. Ich kann nicht glauben, dass ich

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