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Survive

Survive

Titel: Survive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Morel
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dich auch nicht lassen. Außerdem müssen wir noch diesen kleinen Berg hier hoch.«
    Doch wir klettern nicht sofort weiter. Er legt den Kopf auf meinen Schoß und schließt die Augen. Der Schlaf überwältigt ihn bald, und ich halte ihn und versuche, seine Schmerzen zu lindern und ihn so gut wie möglich zu wärmen. Es schneit leicht, und der Wind ist noch einmal stärker geworden. Es ist sehr kalt ohne den Schutz der Bäume. Ich beschließe, dass ich ihm fünfzehn Minuten geben werde, vielleicht zwanzig, aber dann werde ich ihn wecken. Wir dürfen nicht hier auf diesem Berg von einem Sturm überrascht werden.
    Ich erwache und weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe. Erschrocken schüttele ich Paul. Er schläft tief und fest, aber ich kann ihn schnell wecken. Er fährt hoch und starrt mich dann an, mit einem Blick, wie nur er ihn hat.
    »Hast du gedacht, ich sei tot?«
    »Nein«, antworte ich sofort, doch ich schaue ihn dabei nicht an. Ich will ihm meine Angst nicht zeigen.
    »Ich hab etwas für dich«, sagt er. Er zieht das Stück Schokoriegel aus seiner Tasche, das ich ihm am Tag zuvor gegeben habe. »Ich habe das aufgehoben, für den Fall, dass wir eine Zusatzration brauchen.« Er bricht den Rest des Riegels entzwei und reicht mir ein Stück.
    »Ich kann nicht.«
    »Doch, kannst du«, sagt er. »Mund auf.«
    Ich lächle, dann knie ich mich neben ihn, und er schiebt sich das Stück Schokolade zwischen die Zähne. Ich beuge mich vor, küsse ihn und beiße die Hälfte ab.
    »Das war doch gar nicht so schwer. Oder?«
    Ich schüttele den Kopf, nein, war es nicht. Ich muss erneut lächeln. Ich kann jede Zutat der Schokolade einzeln herausschmecken: das Salz, den Zucker, die Milch.
    »Das war nicht das letzte Mal, weißt du.«
    »Ja, das weiß ich. Und es wird noch viel, viel mehr davon geben.«
    Eifrig und mit neuem Elan rappelt er sich auf, was mich positiv überrascht.
    Wir beginnen den Aufstieg und steuern entschlossen das Ziel an. Diesmal übernimmt Paul die Führung. Seine Kraft scheint zurückzukehren: wie eine Pflanze, die in der Sonne wieder aufblüht, nachdem sie in einer langen kalten Nacht ihr Köpfchen hat hängen lassen.
    Ich fühle mich, als würde ich schweben. Ich lehne mich gegen den Berg, wie Paul es mir gezeigt hat, und ramme meine Stöcke im Fünfundvierzig-Grad-Winkel in den Schnee, sodass sie mein Gewicht halbwegs halten können. Meine Stiefel sind alt und ohne besonderes Profil, also muss ich sie tief in den Schnee rammen, um auf dem felsigen Untergrund nicht abzurutschen. Vereinzelt ragen Gestein und kleine Büsche aus dem Schnee, an denen ich mich festkrallen kann. Wir kommen besser voran, als ich zu hoffen gewagt hätte, und als wir die Kammlinie und den Gipfelpunkt erreichen, haben wir das Tal bereits weit hinter uns gelassen.
    Ich schaue noch einmal zurück und betrachte dieses langsam dunkler werdende Tal, aus dem wir gerade heraufgeklettert sind. Aus dieser Perspektive kann ich sehen, wie die Vorsprünge und Felsspalten, die Steilwände und Überhänge nun alle eingeebnet sind und zu einer majestätischen, romantischen Aussicht verschwimmen. Ein verführerischer Zauber geht von diesem Anblick aus, und hätte ich mich nicht gerade eben erst im Schweiße meines Angesichts abrackern müssen, um dort herauszuklettern, würde ich wahrscheinlich nur diese Schönheit bewundern.
    Während ich zurückblicke, schaut Paul nach vorn, auf unser nächstes Ziel. Und er sieht zu der schweren Wolkendecke über uns auf. Der Schnee fällt jetzt immer heftiger, der Wind pfeift uns hier oben gewaltig um die Ohren, und wir sind allen Elementen vollkommen schutzlos ausgeliefert.
    In weiter Ferne kann man jedoch eindeutig einen Weg erkennen, der von diesem Berg hinabführt. Wir sind nur etwa einen Tag von der Ebene und einer möglichen Rettung entfernt.
    Wir sehen einander an, und er zieht mich an sich und sagt: »Fast zu Hause, Solis.«

Kapitel 30
    Wir gehen ein kurzes Stück über den Berggipfel. Vor uns erstreckt sich ein lang gezogener Gebirgskamm. Wir finden eine riesige Ansammlung von Felsblöcken nicht allzu weit von der Abbruchkante entfernt. Die Felsen türmen sich übereinander, als hätte eine gigantische Welle sie hierhergetragen und sie dann wie unzählige Mikadostäbe fallen gelassen. Wir untersuchen das Gelände, bis wir eine steinerne Nische zwischen zwei aneinander gelehnten Blöcken finden und hineinschlüpfen. Eine natürliche Höhle.
    Paul verschnauft ein wenig, während ich mich draußen

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