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Titel: sus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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damals, bevor ich...“
    „...da kannten Sie sich prima
aus. Ich weiß, ich weiß, Monsieur Marcel. Also, Sie meinen, dieser Guy Florent
kauft mir die Karte vielleicht ab?“
    „Warum nicht? Wenn er sie nicht
schon in seiner Sammlung hat, natürlich. Der hat nämlich ‘ne hübsche Sammlung.
Fotos, Reizwäsche, na ja, eben das ganze Zeug!“
    „Natürlich. Und dieser Guy
Florent ist Ihr Freund?“
    „Ein Gast...“
    Marcel schielt auf die Wanduhr.
    „Er kommt jeden Augenblick zum
Aperitif. Wohnt gleich nebenan, Rue Fontaine. Ist jeden Tag hier. Würd mich
wundern, wenn er uns heute im Stich läßt.“
     
    * * *
     
    Er läßt uns nicht im Stich. Um
zehn nach zwölf steht er in der Tür: ein schmächtiges Kerlchen von sechzig
Jahren, ‘n Kopf kleiner als ein Mensch, mit Stock, Schnäuzer und Kneifer. Sieht
aus wie’n mißglückter Toulouse-Lautrec. Und der ist schon
nicht besonders gut gelungen. Aber alle eingefetteten, eitlen Mister Universums
können gegen die beiden nicht anstinken. Zum Totlachen, wie dieses Männchen
nach Strich und Faden den Mann von Halbwelt spielt, den „Historiker der
Unterwelt“, wie er sich selbst nennt.
    Marcel, der ehemalige
Bordellvater, stellt uns gegenseitig vor.
    „Monsieur Burma... Monsieur
Florent.“
    Wir geben uns die Hand und
bestellen was. Ich bring das Gespräch auf das ganz spezielle Spezialgebiet des
Privatgelehrten und bringe meine berühmte rosa Karte zum Vorschein.
    „Vielleicht interessiert Sie
das“, sagt Marcel, der sich schon seine Provision ausrechnet.
    Aber Guy Florent verzieht nur
das Gesicht.
    „Ganz bestimmt nicht“, brummt
er. „Was soll ich damit? Schlecht gedruckt, zum Kotzen. Und nicht mal das
Original. Das hab ich übrigens zu Hause, in mehreren Exemplaren. Ich meine,
solche Karten, die in Shanghai verteilt wurden, so in den dreißiger Jahren.“
    „Ach!“ mische ich mich ein.
„Das stammt aus den dreißiger Jahren?“
    „Ja.“
    „Dann gibt es das Lokal gar
nicht mehr?“
    „Nein.“
    „Haben Sie’s gekannt?“
    „Vom Hörensagen. Bin nie
dagewesen. War ‘n bißchen weit, nicht wahr?“
    „Was war das für ein Lokal?“
    „Piekfein. Sehr gut besucht.“
    „So was wie das Chabanais ?“ fragt Marcel dazwischen. „Noch um Klassen
besser, Alter.“
    „Hm... Scheiße!“
    „Tja.“
    Guy Florent klopft leicht auf
die rosa Karte und sieht mich durch seinen Kneifer an.
    „Woher haben Sie die?“
    „Hab sie gefunden“, antworte
ich.
    Der Historiker der Unterwelt
kratzt sich den Schnurrbart. „Möchte wissen“, fragt er sich, „welcher Idiot das
gedruckt hat.“
    Das brauche ich mich nicht zu
fragen. Das weiß ich. „Vielleicht“, gebe ich zu bedenken, „ist das wertvoll.
Seltenheitswert oder so.“
    Erwehrt ab.
    „Aber nein, lieber Freund. Das
ist keinen Sou wert. Der einzige, dem man so was
andrehen könnte, der bin ich. Und ich bin bestens versorgt. Dieses Puppenhaus
hat in allen Sprachen Werbung gemacht. Auf englisch , französisch, portugiesisch, deutsch usw.
Trotzdem... viele Deutsche waren damals nicht in der Internationalen Konzession
von Shanghai.“
    „In der Internationalen
Konzession?“
    „Ja, natürlich. Haben Sie nie
davon gehört?“
    „Doch, doch.“
    Guy versinkt ins Träumen. Ein
hämisches Grinsen verzieht seinen Schnurrbart:
    „Sie hätten auch welche auf russisch drucken müssen.“
    Ich spitze die Ohren.
    „ Auf russisch ?“
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Weil diese
,charmantesten und gepflegtesten Damen der Stadt’... wissen Sie, wer das
war?“
    „Keine Ahnung.“
    „Man muß schließlich leben“,
sagt er achselzuckend.
    Er lacht auf, bitter,
schmerzerfüllt. Historiker der Unterwelt, Geschichtsschreiber der Prostitution.
Er hat sie in allen möglichen Variationen gesehen, in allen möglichen Farben,
bei seinen Reportagen. Und jetzt erinnere ich mich auch... er war’s... oder
einer seiner Kollegen... der die Geschichte von diesem Freudenmädchen erzählt
hat, das von Garnisonstadt zu Garnisonstadt geschickt wurde. Kannte von den
Städten nur den Weg vom Bahnhof bis zur Kneipe mit der roten Laterne... und
sammelte Ansichtskarten von diesen Städten. Die zeigte sie dann manchmal in
schwachen Stunden einem netten Kunden. ,Ich bin
nämlich weit rumgekommen... Hier, sieh mal, Amiens... hier... Castelnaudary ... und hier Montpellier... schöne Städte...
wunderschöne Städte... wie ich gehört habe... und nach diesen Ansichtskarten
hier…’
    „Dann waren also“, sage ich,
„diese gepflegtesten

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