sus
fast schmerzlich verzerrt.
„Sie müssen mich
entschuldigen“, sagt sie. „Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie
aufreibend unsere Arbeit ist...“
„Aber ich bitte Sie...“
„Sie sind...“ fährt sie fort.
„Sie... sind Sie von einer Zeitung oder...“
Jetzt weiß sie nicht mehr so
recht weiter.
„Ich mache eine Vertretung beim Crépuscule “, antworte ich. „Das heißt...“
Mir kommt soeben in den Sinn,
daß vielleicht die Modejournalistin des Crépu schon hier ist. Zwei Berichterstatter, das könnte verdächtig wirken.
„Eigentlich fange ich erst an“,
erkläre ich, „man hat mir eine Chance gegeben... so was wie ein Test... um zu
sehen, was ich so kann...“
„Hm... ich bin immer dafür,
junge Talente zu fördern“, sagt Sonia und durchbohrt mich mit ihrem Blick.
„Erlauben Sie, daß ich Sie auf einen günstigen Platz setze, von dem Sie unsere
Mannequins am besten sehen können.“
„Ich möchte eigentlich
nicht...“
„Doch, doch. Kommen Sie, folgen
Sie mir...“
Ich folge ihr.
Wir kommen in einen luxuriösen
Salon, der erfüllt ist vom Geplapper der anwesenden Damen. Die Wände sind mit
Samtstoff bezogen. Sehr angenehm fürs Auge. Leichtes, angenehmes Parfüm hängt
in der Luft. Vorne ist ein Podium aufgebaut, über das die Mannequins schreiten
werden. Fast alle Plätze sind schon besetzt. Eine Frau geht von einem Gast zum
anderen, aufgeregt, geschäftig, überschwenglich , für
jeden das passende Wort, eine typische Russin. Es ist die Frau, die ich bei
meiner ersten Stippvisite im Geschäft unten gesehen habe. Natascha. Madame
Natascha Spiridowitsch .
Ihr bläulich gefärbtes Haar ist
kunstvoll geschnitten und frisiert. Sie ist kleiner als ihre
Geschäftspartnerin, auch dünner; dafür wirkt sie herrischer, sehr herrisch
sogar. Trotzdem besteht zwischen den beiden Frauen so etwas wie
Familienähnlichkeit. Vielleicht weil sie schon seit langem (wie lange wohl?)
einen gemeinsamen Kampf an der Front für Luxuswäsche führen. Vielleicht aber
auch nur, weil sie derselben Nationalität angehören. Ich sollte wirklich keine
Haarspalterei betreiben, ob das Haar nun lang oder kurz ist, im Knoten,
naturfarben oder gefärbt.
Wir schlängeln uns also
zwischen den Stühlen hindurch. Sonia versucht, einen zu finden, der meiner würdig
ist, und ich einen, der nicht grade neben Elvire Prentice steht. Ich sehe ihre blühenden Teerosen über den anderen Hütchen, die zwar
genauso lächerlich, aber weniger auffallend sind. Erleichtert stelle ich fest,
daß wir uns nicht in ihre Richtung bewegen. Von dieser Seite aus droht also
momentan keine Gefahr.
Die andere Gastgeberin geht
immer noch durch die Reihen, und so müssen wir uns zwangsläufig in die Quere
kommen. Sonia stellt mich vor. Ich murmele so leise wie möglich meinen Namen.
Die beiden Damen schreiben das der Schüchternheit zu, von der alle
Anfängerinnen befallen sind. Mit einem aufmunternden Lächeln flattert Natascha
wieder davon, beschwingt hüftenschwingend, r- und augenrollend. XXX
Sonia setzt mich in einen der
Sessel, die ganz in der Nähe des Podiums stehen. Sehen aus, als seien sie für
besondere Gäste reserviert. Sie fragt mich, ob’s mir recht sei, ich sage ja,
und sie läßt mich allein.
Gleichgültig sehe ich ihr
hinterher. Sie bleibt hier und dort bei einer Bekannten stehen, wechselt ein
paar Worte. Mir wird plötzlich traurig zumute. Ich hole einen Lippenstift aus
meiner Tasche und ziehe meine Lippen nach. Da fällt mein Blick ins Innere der
Tasche.
Ohne es zu wollen, habe ich ins
Schwarze getroffen. Wir beide nehmen uns alles so zu Herzen, Sonia und ich. Wir
könnten uns eigentlich gut verstehen. Zum Vorteil von Nestor Burma.
* * *
Nach und nach füllen sich die
letzten Lücken. Die Vorführung der neuen Kollektion beginnt mit einer knappen
Stunde Verspätung. Madame Natascha begrüßt uns dreisprachig. Zuerst auf französisch mit russischem
Akzent, dann auf englisch mit französischem Akzent, zum Schluß auf deutsch mit Akzent unbestimmbarer Herkunft. Dann gibt
sie ein Zeichen, und es geht los. Eine lange Bohnenstange, die sich irgendwo —
hier oder bei der Konkurrenz — einen vorteilhaften Büstenhalter kaufen sollte,
kündigt die Modelle an. Für jeden Geschmack ist was dabei. Alle Modelle sind
unerhört elegant und verführerisch. Die Mannequins ebenfalls. Ich freue mich
jetzt schon auf das Gesicht des dynamischen Detektivs, wenn ich ihm die ganze
Pracht beschreiben werde. Aber ich werde ihm
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