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alle. Auch sie scheint es begriffen zu haben und verzichtet darauf, es
nochmals zu wiederholen. Sie wirft sich in einen Sessel, streift ihre Schuhe ab
und reibt die Füße gegeneinander. Wieder seufzt sie tief auf. Dann zieht sie
ein Kästchen zu sich ran, holt eine Tabakdose raus und dazu eine Pfeife, die
noch eingerauchter aussieht als Nestor Burmas
Stierkopf. Sie stopft sich die Pfeife, zündet sie an und raucht glücklich und
zufrieden.
„Sehen Sie, das kann ich mir
den ganzen Tag über nicht erlauben“, sagt sie lächelnd. „Sie scheinen
überrascht?“
Ich lächle verlegen.
„Na ja...“, stottere ich.
„Aber hören Sie mal“, sagt
Sonia. „Tun Sie nicht naiver, als Sie sind. Wollen Sie mal probieren?“
„Was? Pfeiferauchen ?“
„Warum nicht?“
„Nein, danke.“
Und damit man mir nicht eine
gewaltsam zwischen die Lippen schiebt, zünde ich mir schnell eine Zigarette an.
Natascha durchschaut das Manöver und lacht herzhaft. Nach ihrem
Heiterkeitsausbruch sagt sie zu Sonia:
„Sagen Sie Olga bitte, sie soll
sich beeilen, ja? Ich will nicht zu spät schlafengehen .“
Sonia geht in die Küche.
Natascha zieht schweigend genießerisch an ihrer Pfeife. Ich seh mich neugierig im Salon um. Er ist kostbar möbliert, was mich nicht überrascht.
Natascha muß ein hübsches Vermögen besitzen. Vor allem fällt mir eine Vitrine
auf, die eine ganze Wand ausfüllt. Sie enthält ein gutes Dutzend militärischer
Uniformen.
„Vom Garderegiment und von
einer Hundertschaft Donkosaken“, erklärt mir meine Gastgeberin. Ihr entgeht
keine meiner Bewegungen. „Ein kleines Museum. Nicht das einzige. Viele von uns
haben diese Reliquien gesammelt.“
„Wir können essen“, verkündet
Sonia, als sie zurückkommt.
Natascha legt ihre Pfeife zur
Seite, steht auf und geht auf Strümpfen ins Eßzimmer .
Wir folgen ihr.
* * *
Das Abendessen verläuft nicht
sehr fröhlich. Wir werden von Olga bedient. Die Alte versteht nur Russisch, und
das auch nur, wenn es ihr ins Ohr gebrüllt wird. Sie ist nämlich taub. Das
wirkt nicht erheiternd auf die Stimmung. Aber vielleicht hält die Schreierei
Natascha und Sonia wach. Doch nach einer Weile gewinnt die Müdigkeit wieder
Oberwasser. Die beiden Geschäftsfrauen können ihr kaum noch widerstehen. Sonia
hat zwar versucht, mir ein paar Anekdoten zu erzählen (die versprochenen
pikanten Anekdoten!), aber ohne rechte Begeisterung. Lustlos frage ich mich,
was ich hier verloren habe. Hab das Gefühl, daß meine Aktion ‘n glatter
Reinfall war. Aber trotzdem... Plötzlich spüre ich eine tückische Benommenheit.
Ich schüttle mich... und scheine damit die Elemente zu entfesseln! Ein
plötzlicher Windstoß wirft einen schlecht befestigten Fensterladen gegen das
Fenster. Sintflutartig fängt es an zu schütten. Das Licht flackert. In der
Ferne höre ich ein langanhaltendes Donnern. Diesmal ist es nicht die Metro.
„Tja“, sagt Natascha, „das war
schon lange fällig.“
„Danach wird’s besser“, sage
ich.
„Meinen Sie?“
Sie schiebt ihren Teller zurück
und gähnt.
„Besser oder nicht, mir soil’s egal sein. Wird mich nicht beim Schlafen stören.
Nicht mal ein Erdbeben wird mich aufwecken. Stimmt’s Sonia?“
„Hm“, brummt die Angesprochene.
Sie wackelt mit dem Kopf.
Vielleicht will sie nicken, vielleicht schläft sie gerade ein.
„Die liebe Sonia...“ Natascha
lacht müde. „Ihre Therapie ist fehlgeschlagen. Sie wollte sich durch Sie aufmuntern
lassen, und jetzt ist sie noch vor mir eingeschlafen... Hab ich Ihnen nicht
gesagt, daß sie launisch ist? Sie hat Sie aus einer Laune heraus eingeladen.
Und hier wird es ihr dann langweilig. Na ja...“
Sie gähnt wieder, steht auf,
geht zum Fenster — immer noch auf Strümpfen — und sieht in den Regen hinaus.
Dann kommt sie wieder zu mir an den Tisch.
„Tut mir furchtbar leid, daß
ich...“
Der Rest des Satzes geht in ein
Gähnen über.
„Ach, das macht doch nichts“,
beruhige ich sie. „So hab ich wenigstens mal die russische Küche
kennengelernt.“
„Und hat’s Ihnen geschmeckt?“
„O ja, sehr.“
„Na schön, um
so besser... Lassen wir sie schlafen“, sagt Natascha und deutet auf
Sonia, die auf ihrem Stuhl zusammengesunken ist. „Ich zeige Ihnen jetzt das
Gästezimmer.“
Ich versuche zu widersprechen.
„Aber ich bitte Sie“,
unterbricht sie mich. „Das ist doch das wenigste. Ich kann Sie nicht bei diesem
Regen gehen lassen. Und Sie nach Paris fahren, das kann ich auch
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