sus
Ich jedenfalls zahle nicht mehr. Ich kann
nämlich nicht mehr zahlen. Ich bin am Ende. Lieber würde ich...“
Ihre Stimme wird schriller,
steigert sich, leiderfüllt, endet in hysterischem Lachen. Immer noch bewegt sie
ihre Finger, preßt den Daumen, läßt ihn wieder los.
„...Lieber würde ich jetzt
jemanden umbringen, als weiter so gequält zu werden.“
„Schön, dann erwürgen Sie mich
doch!“ ermuntere ich sie. „Und dann? Was machen Sie mit meiner Leiche? Ins
Schaufenster stellen, am Boulevard Haussmann, mit ‘nem Strumpfhalter, schwarz,
Halbtrauer?“
Sie überschüttet mich mit
Flüchen.
„Jetzt reicht’s aber“,
unterbreche ich sie. „Genug geflucht. Ich bin was anderes, als Sie meinen. In
meiner Tasche hab ich nicht nur die Karte aus Shanghai.“
Ich steh auf und kram den
Sonderausweis hervor, den mir Kommissar Faroux mal in
einer glücklichen Stunde gegeben hat. Außer meinem Namen steht noch mein Beruf
drauf: Assistentin eines Privatdetektivs. Und dazu sogar noch der Verweis, die
offiziellen Vertreter von Recht und Ordnung mögen mir doch, bitte schön,
behilflich sein, falls nötig. Ich halte der Russin das Dokument mit der
Trikolore unter die Nase. Sie liest den Text einmal, noch einmal...“
„Versteh ich nicht“, murmelt
sie.
„Ganz einfach“, sage ich und
setze mich auf die Bettkante. Ich fordere sie auf, sich ebenfalls zu setzen,
irgendwohin. Sie gehorcht, weiß nicht mehr, was sie davon halten soll.
„Ich arbeite für die Agentur
Fiat Lux. Mein Chef ist Nestor Burma, ein Privatdetektiv. Und Sie haben
geglaubt, ich wollte Sie erpressen, hm?“
Sie nickt.
„Wie Tchang-Pou ?
Denn der erpreßt Sie doch, oder?“
„Woher wissen Sie das?“
„Kann Ihnen egal sein. Das zu
erklären, würde zu lange dauern. Nur so viel: von uns haben Sie nichts zu
befürchten. Wir betrachten Sie nicht als unsere Gegnerin. Machen Sie’s genauso:
haben SieVertrauen ! Und was Ihren... Ihren früheren
Beruf angeht: mein Chef ist völlig frei von Vorurteilen. Im Gegenteil. Hätte
eher ‘ne Schwäche für... Na ja, egal. Und ich persönlich hab zuviel Verständnis, als daß ich irgendeinen Stein auf irgend jemanden werfen würde...“
Sie beruhigt sich etwas.
„Also, Tchang-Pou erpreßt Sie“, fahre ich fort. „Deswegen hätte mein Chef Ihnen gern ein paar
Fragen gestellt. Und deswegen hätte er sich gerne die Modenschau angesehen.
Aber Herren waren nicht zugelassen. Und als Frau wollte er sich ungerne
verkleiden, weil er Angst vor bissigen Bemerkungen seiner Concierge hat. Also
hat er mich geschickt. Ich sollte Kontakt mit Ihnen aufnehmen und Sie
aushorchen, wenn nötig mit Hilfe der rosa Karte, die wir diesem chinesischen
Bösewicht geklaut haben. Es war reiner Zufall, daß Sie die Karte in meiner
Tasche gesehen haben und alles so gelaufen ist. Aber ich will mich nicht
beklagen über diesen Zufall.“
„Aushorchen?“ fragt Sonia
verwirrt. „Wieso aushorchen? Warum interessieren Sie sich für mich?“
„Weil wir uns für einen Mann
interessieren, der sich wiederum für Sie interessiert. Hat dafür gezahlt, daß
wir Tchang-Pou beschatten und so an Sie rankommen.
Ein Mann, der Sie unbedingt kennenlernen wollte.“
Sonia schüttelt den Kopf. Sie
versteht überhaupt nichts mehr.
„Dieser Mann hat Sie sicher
nicht gekannt, und Sie ihn genausowenig . Sein Name
sagt Ihnen also bestimmt nichts, aber ich kann ihn ruhig nennen: Omer Goldy .“
„Omer Goldy ?
Nein, sagt mir tatsächlich nichts. Und jetzt werden Sie...“
„...ihm mitteilen, daß wir Sie
gefunden haben? Geht nicht. Omer Goldy ist tot.“
„Tot?“
„Hatte ein schwaches Herz.“
„Ach!“
Ich habe ihr noch gar nicht
gesagt, welchen Beruf Goldy hatte. Vielleicht ist es
auch völlig unnötig und überflüssig. Aber ich beeile mich, diese Lücke zu
schließen.
„Diamantenhändler?“ wiederholt
Sonia und spitzt die Lippen.
Ihre Augen glänzen. Offenbar
ist sie drauf und dran, mir irgendetwas zu erzählen. Aber dann zieht sie sich
wieder in ihr Schneckenhaus zurück. Ich hab noch nicht ihr volles Vertrauen.
„Hören Sie, Sonia“, sage ich.
„Wenn Sie sich auf uns verlassen, werden Sie von Ihren Sorgen verlassen. Dann
werden Sie nichts mehr von Tchang-Pou zu befürchten
haben. Nestor Burma weiß, wie man mit Erpressern reden muß.“
„Sie meinen, Ihr Chef könnte
mich von diesem Scheusal befreien?“
„Ganz bestimmt.“
Der Hoffnungsschimmer, den sie
einen Moment lang gesehen hat, scheint plötzlich zu
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