sus
oder weniger fadenscheinigen Vorwänden statte ich ihnen
einen Besuch ab.
* * *
Oscar Blumenfeld empfängt mich
in einem verglasten Büro, das sich im hinteren Teil einer Werkstatt befindet.
Vorne polieren drei Fachkräfte in grauen Kitteln Juwelen. Monsieur Blumenfeld
ist ein äußerst liebenswürdiger Herr. Besonderes Kennzeichen: ein ständiges
Lächeln auf seinen schmalen Lippen.
„Nationalität?“ fragt er und
faltet die fleischigen Hände.
Bekräftigendes Nicken
meinerseits.
„Ich drücke mich wahrscheinlich
unglücklich aus“, sage ich, „aber Sie verstehen, was ich damit meine, nicht
wahr?“
Sein unbestimmtes Lächeln wird
eine Spur konkreter.
„Gewiß, Monsieur. Nun, es ist
schwierig, die Rationalität’, wie Sie es nennen, eines Diamanten zu bestimmen.
In der Tat — es gibt in den verschiedenen Ländern eine besondere Art, sie zu
schleifen. Aber das hilft uns nicht weiter. Ich will nicht behaupten, daß es
bei einem gefaßten Stein eindeutiger zu bestimmen
wäre, aber die Fassung kann immerhin Hinweise liefern... Bei einem ungefaßten Diamanten jedoch...“
Er macht ein langes Gesicht. Es
wird immer länger, bis wir uns verabschieden. Er begleitet mich bis zur Tür. Im
Atelier liegen alle möglichen Edelsteine auf Tischen herum, wild durcheinander.
„Haben Sie keine Angst vor
Dieben?“ bemerke ich.
Er hebt die Schultern.
„Vor vierzehn Tagen haben
Gangster das Edelsteinkontor überfallen...“
„Genau so was meinte ich.“
„Banküberfälle sind viel
häufiger als Überfälle bei Juwelieren. Warum, weiß ich nicht. So ist das nun
mal.“
„Vielleicht, weil’s so
schwierig ist, diese Ware abzusetzen.“
„Mag sein. Jedenfalls glaub ich
nicht, daß so etwas bald wieder passiert.“
„Viel Glück... Obwohl... einer
Ihrer Kollegen ist doch vor kurzem zu Hause überfallen worden, nicht wahr? Und
sogar umgebracht? Ich meine, so was Ähnliches in der Zeitung gelesen zu haben.“
„Ach ja. Sie reden von diesem Goldy .“
„Kann sein, daß er so hieß.“
„Ja, Sie meinen offenbar Goldy . Aber ihm ist nichts gestohlen worden. Unter uns
gesagt, bei ihm war nie viel zu stehlen. Ich kannte ihn. Kein schlechter Kerl,
aber er nagte am Hungertuch.“
Während Monsieur Blumenfeld
redet, beobachte ich ihn unauffällig. Ich habe den Eindruck, daß ihm Goldy scheißegal ist, sein Leben, sein Tod. So egal wie
jeder x-beliebige Klunker, den er in seinen gut gepolsterten Fingern hält. Wenn
er irgendetwas mit dem plötzlichen Ableben meines Auftraggebers zu tun hätte,
müßte ihm wenigstens eine Kleinigkeit anzumerken sein. Aber ihm ist überhaupt
nichts anzumerken. Selbst das unbestimmte Lächeln ist keinen Augenblick von
seinen Lippen verschwunden.
* * *
Ich verdrücke mich, um weiterzuforschen . Will ich rauskriegen, mit wem sich Goldy kurz vor seinem Tod rumgeprügelt hat, oder will ich
nur wissen, wo der Diamant geblieben ist? Ich bin mir selbst nicht sicher. Laß
mich von meinem Näschen führen. Bis jetzt hat es mich noch nicht weit geführt.
Trotzdem setze ich meine Runde fort.
Drei weitere Namen kann ich von
meiner Liste streichen. Durch sie bin ich nicht schlauer geworden.
Der fünfte, Blumenfeld
mitgerechnet, heißt Rosenthal, wie so viele. Aus Sparsamkeit hat er nur „Rosen“
auf das Emailschild am Eingang schreiben lassen. Es verrät mir, wo ich ihn
finden kann: hinten im Hof, rechts.
Wie bei Goldy halten sich die geschäftlichen Aktivitäten von Rosen in bescheidenem Rahmen.
Scheint jede Menge Zeit zu haben. Hoffentlich nutzt er sie; er befindet sich
nämlich schon auf dem absteigenden Ast seines Lebens. Sehr weit schon. Und sehr
absteigend. Er liest gerade eine jiddische Zeitung, als ich die Tür zu seiner
Höhle aufstoße. Die Ladenglocke läßt ihn aus seiner Lektüre auf fahren. Er
schreckt hoch, als wäre eine Bombe im Viertel explodiert.
„Monsieur Rosen?“
„Ja, ja, ja“, stammelt er.
„Mein Name ist Martin.“
Er nickt zustimmend. Ich weiß
nicht warum, aber er stimmt mir zu. Er irrt sich, aber das macht nichts. So
langsam faßt er sich wieder.
„Haben Sie mir einen Schrecken
eingejagt“, sagt er. „Hab grade so vor mich hingedöst
„‘ tschuldigung .“
„Aber bitte setzen Sie sich
doch, Monsieur Martin.“
Ich setze mich.
Ein Brillengestell aus Stahl
sitzt auf seiner Nase. Hinter den Gläsern bewegen sich die Äuglein flink hin und her, so als wollten sie sich aus dem Staub machen. Monsieur Rosen
versteckt seine totale
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