sus
Glatze unter einem schwarzen Käppchen. Dabei will er
bestimmt nicht für Yul Brynner gehalten werden - oder Schulbrummer oder wie dieser amerikanische Schauspieler
heißt, der die Kreissäge unseres sehr pariserischen O’Brady imitiert.
„Was kann ich für Sie tun,
Monsieur Martin?“ beginnt Rosen und trommelt dabei nervös auf die
Schreibtischplatte. Die ist übersät mit Lupen, Goldwaagen, anderen Kleinwaagen,
kurz, mit dem ganzen Kram, den ein gewerkschaftlich organisierter
Diamantenhändler so braucht. Dieser hier sicher nicht so oft, wie er’s gerne
hätte.
Ich tische ihm meine bewährten
Lügenmärchen auf. Dabei sehe ich mich gezielt im Raum um. Auf einem Regal
kämpfen ein paar Bücher um den besten Stehplatz. Auf einem Stuhl liegen
Fachzeitschriften mit Fotos von Juwelen.
„Nationalität?“ fragt Rosen,
wie vorher Blumenfeld und die anderen.
Und wie Blumenfeld faltet er
die zitternden Hände. Hab das Gefühl, daß Rosen ordentlich bechert .
Ich lege ihm auseinander, was
ich mit ,Nationalität’ meine.
„Ja, ja“, nickt Rosen und
blinzelt mich über den Brillenrand an.
Während er mir einen Vortrag
hält, dem ich kaum folgen kann, nimmt er die Hände wieder auseinander. Mit der
Linken streicht er sich übers Kinn, kratzt sich am Ohr. Die Rechte trommelt
wieder nervös auf die Schreibtischplatte, trommelt und trommelt und hört
plötzlich auf, ruht sich wahrscheinlich aus. Und dann, zack !, verschwindet sie unter der Tischplatte. Mit einem Satz bin ich bei ihm, packe
sein Handgelenk und zwinge ihn, die Kanone fallenzulassen, die er gerade aus
der Schublade geangelt hat.
* * *
„Was soll das Opa?“ fahr ich
ihn an. „Was sind das für Sitten ?Gibt doch schon genug Antisemiten auf der Welt. Soll ich bei ihnen Mitglied werden?“
„Machen Sie, was Sie wollen“,
winselt er. „Nehmen Sie alles mit, aber lassen Sie mich am Leben. Der alte
Abraham hängt doch so am Leben. Es hat ihm nichts geschenkt, aber er hängt
dran.“
Er flennt, zittert wie
Espenlaub, keucht wie ein Ochse. Bei dem Handgemenge sind ihm Käppchen und
Brille vom Kopf geflogen. Ich setze den alten Juden wieder ordentlich in seinen
Sessel und heb den ganzen Krempel auf, einschließlich Revolver. Die Waffe, ein
Trommelrevolver, steck ich in meine Tasche, das Käppchen setze ich dem Alten
mehr schlecht als recht wieder auf die Glatze. Er läßt alles mit sich
geschehen. Dann gebe ich ihm die Brille. Ein Glas ist kaputt. Wortreich beklagt
Rosen den Schaden. Wie an der Klagemauer.
„Schon gut, schon gut“,
besänftige ich ihn. „Ich weiß ja, daß die Optiker nicht für schöne Worte
arbeiten. Aber Sie können sich’s doch leisten, oder?“
Beinahe hätte er „nein“ gesagt,
aber dazu ist er doch zu feige. Er setzt die Brille wieder auf die Nase. Mit
dem kaputten Glas sieht er ziemlich komisch aus. Er seufzt, schnäuzt, geht auf
Tauchstation und sucht die Glasstücke zusammen. Dann kommt er wieder hoch, legt
sie auf seine jiddische Zeitung. Verblüfft blinzelt er: das Glas ist nicht
zersplittert, nur in ein paar große Stücke zerbrochen.
„Die kann man vielleicht mit
etwas Alleskleber...“ sage ich lachend.
Er sieht mich mit seinen
ungleich großen Augen an. Mein Vorschlag scheint ihm zu gefallen.
„Und jetzt zum Ernst des
Lebens“, sage ich ernst. „Empfangen Sie Ihre Kunden immer mit dem Schießeisen
in der Hand? Kein Wunder, daß Sie so wenige haben.“
„Kunden?“ stottert er los.
„Kunden? Meinen Sie vielleicht, ich hätte nicht sofort gewußt, wer Sie sind,
hm?“
„Und wer bin ich?“
„Ein übler Bursche, der einen
wehrlosen alten Mann überfällt.“
„Wehrlos...“
Ich klopfe auf den Revolver in
meiner Tasche.
„...ist etwas übertrieben.“
„Ich weiß nicht, warum ich den
rausgeholt habe“, sagt Rosen. „Bin etwas nervös. Ich hänge am Leben und hab
Angst. Vor vierzehn Tagen haben Gangster...“
„...das Juwelenkontor
überfallen, ich weiß. Und danach hat einer Ihrer Kollegen höchst unerfreulichen
Besuch bekommen. Hieß Goldant oder Goldstein.“
„Ja. Und als ich Sie so reden
höre, ohne was zu sagen, über Dinge, von denen Sie offensichtlich keine Ahnung
haben...“
„...haben Sie mich für einen
Gangster gehalten, der Ihnen erst was erzählt und Sie dann über den Haufen
knallt, hm?“
„Ja, und ich...“
„Schluß jetzt. Genug gejammert.
Hier, der bin ich!“
Ich halte ihm meine Papiere vor
das Auge mit dem heilen Brillenglas.
„ Oh!“ ruft Rosen.
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