Susan Andersen
hier“, spottete die Frau und warf die Zigarette aus der Tür. „Darnell kommt nich mehr oft vorbei. Das liegt an seiner verbohrten Oma, aber ausnahmsweise hat diese Schlampe mal recht. Der Junge hat keinen Grund, mit meinem Sohn rumzuhängen. Darnell hat was – man muss ihn nur anschauen und weiß, dass er eines Tages wer sein wird.“ Dann verschwand jede Wärme aus ihrer Stimme. „Freddy ist keinen Scheißdreck wert.“
Jase bemerkte Poppys schockierten Gesichtsausdruck. Bis zu diesem Moment hatte er seine Autorität heruntergespielt, doch jetzt bellte er los: „Ist Freddy da? Ich würde gern mit ihm sprechen.“
„Ich weiß nicht, wo dieser kleine Scheißer ist. Hab ihn seit Samstagabend nich mehr gesehn.“
„Sie sorgen nicht dafür, dass er zur Schule geht?“, fragte Poppy.
„Er ist fast achtzehn, Lady. Da kann er wohl selbst zur Schule gehn.“
Weil Poppys Augen begannen, Feuer zu spucken, stellte Jase sich mit einem großen Schritt zwischen die beiden Frauen. „Hat Freddy ein Handy?“, erkundigte er sich.
„Ja“, lautete die knappe Antwort.
Als Freddys Mutter nichts weiter sagte, fragte er kalt: „Wie ist die Nummer?“
Leise meckernd schlurfte sie in ihren abgetragenen Pantoffeln durchs Wohnzimmer, um kurz darauf mit einer neuen Zigarette in der einen und einem billigen Adressbuch in der anderen Hand zurückzukehren. Sie blätterte qualvoll langsam die Seiten um, bis sie die gesuchte Nummer gefunden hatte. Ohne aufzusehen, las sie sie laut vor.
Nachdem Jase die Nummer notiert hatte, reichte er ihr mit einem harten Blick seine Karte. „Rufen Sie mich an, sobald Sie von ihm hören.“
„Hm“, grunzte sie und schloss demonstrativ die Tür.
Auf dem Weg zum Wagen erkannte Jase an Poppys steifen Schultern, dass sie nicht sonderlich glücklich war.
„Diese Frau ist doch einfach nicht zu fassen !“, zischte sie beim Einsteigen. „Ich wünschte, ich wäre tatsächlich vom Jugendamt. Diese Frau bettelt doch geradezu darum, dass man ihr die Kinder wegnimmt. Verdammt, Jason, dieses süße kleine Mädchen sieht nicht so aus, als ob sich irgendjemand auch nur ansatzweise um sie kümmert.“
Es passte ihm nicht, wie gern er seinen Namen aus ihrem Mund hörte. Darum klang seine Stimme sehr kühl, als er sagte. „Mrs. Gordon wird in nächster Zeit vermutlich nicht zur Mutter des Jahres gewählt werden. Aber für ein Kind bedeutet es nur selten eine Verbesserung, in Pflegefamilien oder im Heim aufzuwachsen.“
„Zumindest würde es dort nicht durch Passivrauchen sterben“, murmelte sie. Doch dann seufzte sie und beherrschte ihren Ärger. „In Ordnung, das weiß ich auch“, gestand sie leise. „Wirklich. Es ist nur ...“
„Ja“, unterbrach er sie. „Es tut weh.“ Als er versuchte, die Nummer anzurufen, erreichte er nur die Mailbox. Nachdem er eine kurze Nachricht mit seinen verschiedenen Nummern hinterlassen hatte, wandte er sich wieder an Poppy. „Hören Sie, auf meinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit. Wenn Sie die Adresse von Darnells Freundin auftreiben, können wir bei ihr vorbeifahren. Aber egal, ob sie zu Hause ist oder nicht, Blondie, danach muss ich sofort zurück aufs Revier.“
„Das ist doch wohl ein Scherz. Es ist schon nach achtzehn Uhr.“
Er zuckte mit den Schultern. „Wie ich sagte, Berge von Arbeit.“
Zu seiner großen Überraschung legte sie eine Hand auf seinen Unterarm. „Danke, Jason. Für alles. Sie waren wirklich toll, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich bin.“
Vor seinem innerem Auge erschien umgehend ein Bild, auf welche Weise sie ihre Dankbarkeit zeigen könnte. Nackt. Handschellen. Und das Kopfende eines Betts.
Erschrocken richtete er sich auf. Großer Gott! Er war verdammt noch mal mehr als die Summe dieser verkommenen Gene. Entsprechend patzig fiel seine Antwort aus: „Sie können mir danken, indem Sie diese Adresse herausfinden.“
„Ich habe sie hier.“ Poppy scrollte ihr Handy durch, zum Glück vollkommen ahnungslos, in welche Richtung seine Gedanken gerade gegangen waren. Dann ratterte sie eine Adresse in Süd-Seattle herunter. „Soll ich erst anrufen und fragen, ob sie zu Hause ist? Das würde Ihnen Zeit sparen.“
„Nein. Anrufe können Zeit sparen, aber auch dafür sorgen, dass jemand abhaut.“ Er fuhr los.
„Mann, Ihren Job wollte ich um nichts in der Welt haben“, seufzte sie. „Sie sehen wirklich immer nur das Schlechte im Menschen, oder?“
„Im Gegensatz zu Ihnen mit Ihrer rosaroten
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