Susannah 4 - Auch Geister lieben süße Rache
nicht schwer gewesen, meinte er: Er hätte sich dran erinnert, dass CeeCee eine Einserschülerin war, die ganz sicher nicht ausgerechnet meine Hilfe beim Verfassen irgendwelcher Artikel brauchte. Also hatte er gewendet und war zurückgefahren. Als er herausfand, dass ich längst weg war, hatte er sich überlegt, wo er an meiner Stelle hingegangen wäre, als er in meinem Alter war.
»Das Hotel war das Naheliegendste«, bemerkte er, als wir vor unserem Haus vorfuhren. Diesmal standen keine Krankenwagen hier, stellte ich erleichtert fest. Nur die schattenspendenden Kiefern. Aus dem Garten drang blechernes Radiogedudel - Andy arbeitete an der Veranda. Ein träger Sommerabend. Ganz und gar nicht die Sorte Abend, an dem man an Exorzismus denken würde.
»So unberechenbar, wie Sie vielleicht meinen, sind Sie nämlich gar nicht, Susannah«, sagte Pater Dominic.
Schon möglich, dass ich doch berechenbar war, aber
anscheinend war das auch zu meinem Vorteil. Als ich gerade aussteigen wollte, sagte Pater Dom nämlich: »Ich hole Sie dann um Mitternacht ab, dann fahren wir zur Mission.«
Ich sah ihn überrascht an. »Zur Mission?«
»Wenn wir schon einen Exorzismus durchführen müssen«, sagte er grimmig, »dann richtig. Im Haus des Herrn. Der Monsignore würde das sicherlich nicht gutheißen, wie Sie sich denken können. Und sosehr ich es hasse, deswegen lügen zu müssen, sehe ich doch, dass Sie sich nicht von Ihrer Idee abbringen lassen. Also werde ich in diesem Fall nicht drum herumkommen. Ich möchte nur sicherstellen, dass weder Schwester Ernestine noch sonst irgendjemand uns dabei erwischt. Also muss es um Mitternacht passieren.«
Also: Mitternacht.
Keine Ahnung, was ich in der Zwischenzeit überhaupt tat. Eigentlich war ich viel zu aufgeregt, um irgendwas zu tun. Zum Abendessen ließen wir uns wieder etwas kommen, aber ich hätte hinterher nicht sagen können, was ich gegessen hatte. Ich schmeckte kaum etwas. An diesem Abend war ich mit Mom und Andy allein, da Schlafmütz ja mit Caitlin verabredet und Hatschi mit seiner neuesten Flamme unterwegs war.
Das Einzige, woran ich mich noch erinnere, war, dass CeeCee irgendwann anrief und mir mitteilte, dass die de Silva/Diego-Geschichte in der Sonntagsausgabe der Zeitung erscheinen würde.
»Das Verbreitungsgebiet umfasst fünfunddreißigtausend Leute«, versicherte sie mir. »Viel mehr als bei unseren
Wochentagsausgaben. Die Sonntagszeitung haben viel mehr Menschen abonniert - wegen der Wochenend-Comics und so.«
Der Gerichtsmediziner habe meine Story auch bestätigt, erzählte sie weiter: Das Skelett aus unserem Garten war zwischen hundertfünfzig und hundertsiebzig Jahre alt und gehörte zu einem etwa fünfundzwanzigjährigen Mann.
»Die Hautfarbe ist schwer festzustellen«, sagte CeeCee. »Wegen der Schäden, die Brad mit seiner Schaufel angerichtet hat. Aber die Todesursache steht zweifelsfrei fest.«
Ich umklammerte den Hörer. Mehr Reaktion konnte ich mir nicht erlauben, weil Mom und Andy am Esstisch saßen und jedes Wort mithören konnten.
»Aha?«, sagte ich gewollt beiläufig. Aber im Inneren spürte ich, wie ich wieder erkaltete, genau wie an dem Nachmittag im Kopier-Kabäuschen.
»Erstickungstod«, sagte CeeCee. »Da ist so ein Knochen in der Halswirbelsäule, an dem man das sehen kann.«
»Also wurde er …«
»Erwürgt«, ergänzte CeeCee nüchtern. »Ach übrigens, was hast du heute Abend vor? Willst du rüberkommen? Adam hat irgendwelche Familienverpflichtungen. Wir könnten uns ein Video ausleihen …«
»Nein, ich kann nicht«, lehnte ich ab. »Aber danke, CeeCee. Vielen Dank.«
Dann legte ich auf.
Erwürgt. Jesse war erwürgt worden. Von Felix Diego. Komisch, irgendwie war ich immer davon ausgegangen,
dass er erschossen worden war. Aber das mit dem Erwürgen passte besser ins Bild: Ein Schuss wäre sicher gehört worden. Dann wären Leute auf die Idee gekommen, nachzuforschen, und es hätte keinen Zweifel darüber gegeben, was mit Hector de Silva geschehen war.
Erwürgen ging hingegen leise. Für Felix wäre es ein Leichtes gewesen, Jesse im Schlaf zu erwürgen, dann die Leiche hinters Haus zu schleppen und dort mit allen Habseligkeiten zu vergraben. Kein Zeuge, gar nichts …
Ich musste ziemlich lange dagestanden und das Telefon angestarrt haben, denn irgendwann sagte Mom: »Suze? Alles okay mit dir, Schatz?«
Ich zuckte erschrocken zusammen. »Klar, Mom. Alles okay. Mir geht’s gut.«
Aber mir ging es gar nicht gut. Auch ein paar
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