Susannah 4 - Auch Geister lieben süße Rache
unbemerkt ins Haus hinein, wie ich mich rausgeschlichen hatte. Bis auf den Hund wachte keiner auf, und als Max mich erkannte, legte er sich gleich wieder hin und schlief weiter. Keiner hatte bemerkt, dass ich überhaupt weg gewesen war.
Wie immer.
Spike war außer mir der Einzige gewesen, dem Jesses Verschwinden aufgefallen war. Und seine Freude über das Wiedersehen mit Jesse fiel regelrecht peinlich aus. Der dumme Kater schnurrte so laut, dass es bestimmt durch drei dicke Wände zu hören war.
Lange hörte ich dem Geschnurre allerdings nicht zu. Sobald ich mein Zimmer betrat, riss ich die Tagesdecke vom Bett, schlüpfte aus meinen Flipflops und legte mich hin. Sogar das Gesichtwaschen fiel heute aus. Ich warf einen letzten Blick auf Jesse, um mich zu vergewissern, dass er wirklich wieder da war, dann schlief ich ein.
Ich schlief bis zum Sonntag durch.
Meine Mutter war irgendwann schon überzeugt, ich hätte Pfeiffersches Drüsenfieber oder so. Aber dann fiel ihr Blick auf die Beule an meiner Stirn. Und sie kam zu dem Schluss, dass in meinem Gehirn ein Blutgefäß geplatzt sein musste. Obwohl ich mir alle Mühe gab, sie davon zu überzeugen, dass die ganzen schlimmen Diagnosen nicht zutrafen und ich einfach nur sehr, sehr müde war, glaubte sie mir kein Wort. Bestimmt hätte sie mich noch am Sonntagvormittag ins Krankenhaus geschleift, um mir eine Computer-Tomografie verpassen zu lassen - hey, immerhin hatte ich fast zwei Tage am Stück geschlafen -, wenn sie nicht zufällig versprochen hätte, mit Andy ins Ferienlager zu fahren, um Schweinchen Schlau abzuholen.
Anscheinend war Sterben - auch wenn es nur für eine halbe Stunde war - echt eine anstrengende Angelegenheit.
Als ich aufwachte, war ich halb verhungert. Nachdem Mom und Andy mir das Versprechen abgerungen hatten, den ganzen Tag im Haus zu bleiben und auf ihre Wiederkehr zu warten, auf dass sie sofort meinen Gesundheitszustand checken konnten, fuhren sie endlich ab. Ich verschlang zwei Bagels und eine Schüssel Cornflakes, noch bevor Hatschi und Schlafmütz ungekämmt und mit zerzausten Haaren am Frühstückstisch erschienen. Da war ich schon längst geduscht und angezogen und bereit, dem Tag ins Auge zu blicken … oder zumindest der Arbeitslosigkeit. Denn ich war mir nicht sicher, ob das Pebble Beach Hotel und Golf Resort meinen Vertrag
verlängern würde, nachdem ich zwei Tage hintereinander gefehlt hatte.
Aber in der Hinsicht konnte Schlafmütz mich beruhigen.
»Nö, alles im grünen Bereich«, sagte er und schaufelte sich Cheerios in den Mund. »Ich hab mit Caitlin gesprochen. Hab gesagt, du hättest ein kleines mentales Problem und so. Wegen dem toten Typen im Garten. Das hat ihr eingeleuchtet.«
»Wirklich?« Dabei hatte ich ihm nur mit halbem Ohr zugehört. Ich hatte mich viel mehr auf Hatschi konzentriert, der wie immer bei Tisch eine spektakuläre Vorstellung gab. Er stopfte sich gerade eine ganze Bagelhälfte in den Mund und schluckte sie am Stück herunter. Hätte ich nur eine Kamera parat gehabt, um diesen Vorgang für die Nachwelt festzuhalten! Oder zumindest um dem nächsten Mädchen, das meinen Stiefbruder eine Sahneschnitte nannte, zu beweisen, wie sehr es sich irrte. Gebannt sah ich zu, wie Hatschi sich, ohne den Blick von der Zeitung zu heben, die zweite Bagelhälfte in den Mund schob und wieder, ohne zu kauen, verschluckte, wie eine Schlange, die eine Maus vertilgt.
So was Widerliches hatte ich echt noch nie gesehen. Na ja, die Käfer in der Orangensafttüte vielleicht ausgenommen.
»Oh.« Schlafmütz lehnte sich zurück und nahm etwas vom Küchentresen in die Hand. »Caitlin hat mich gebeten, dir das zu geben. Ist von den Slaters. Sie sind gestern abgereist.«
Ich fing den Umschlag auf, den er mir zuwarf. Er war
ziemlich dick, und irgendwas Hartes schien darin zu sein. SUSAN stand vorne drauf.
»Die sollten doch erst heute abreisen«, sagte ich und riss den Umschlag auf.
»Tja, sind eben früher abgereist, was weiß ich?« Schlafmütz zuckte mit den Schultern.
Ich las den ersten Brief, der im Umschlag war. Er war von Mrs Slater.
Liebe Susan,
ich wollte Ihnen noch einmal dafür danken, was Sie für Jack getan haben. Er ist jetzt wie ausgewechselt. Wissen Sie, Jack hatte es immer etwas schwerer als Paul. Jack ist wohl einfach nicht so schlau wie Paul. Es tut uns leid, dass wir uns nicht persönlich verabschieden können, aber wir müssen nun doch früher abreisen als geplant. Anbei ein kleines Zeichen unserer
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