Susannah 6 - Auch Geister sind romantisch
dich aber gewaltig geschnitten.«
Paul blickte mich verletzt an. Eine Maske, wie üblich. Paul hatte keine Gefühle. Nicht wenn er seinen Plan wirklich in die Tat umsetzen wollte.
Aber er tat sein Bestes, mich zum Narren zu halten.
»Also wirklich, Suze«, sagte er mit großen, unschuldigen Augen. »Ich tue das nur für dich. Nach dieser ganzen Sache mit Mrs Gutierrez bin ich ins Grübeln gekommen … Ich versuche wirklich, mich zu bessern. Und Jesses Leben zu retten, ist doch was Anständiges. Ich meine, wenn du ihn wirklich liebst, dann willst du doch nur sein Bestes, oder nicht? Und was könnte besser für ihn sein, als ein langes und glückliches Leben zu führen?«
Ich blinzelte verwirrt. Er hatte wirklich Talent, die Fakten zu verdrehen.
»Nein nein, das ist … das ist nicht …«, stammelte ich.
»Schon okay, Suze.« Paul legte mir seine Hand auf den Arm, als wollte er mir in dieser schweren Stunde Trost spenden. »Du musst dich nicht bedanken. Sag mal, sollten wir uns nicht lieber auf den Weg machen? Du willst doch nicht, dass Schwester Ernestine dich noch mal beim Schwänzen erwischt, oder?«
Ich war baff. Paul war wirklich extrem manipulativ. Das schaffte sonst nur noch mein Stiefbruder Brad, wenn auch nicht ganz so raffiniert. Und das Einzige, was der je zustande gebracht hatte, war eine unangemeldete, wilde Party gewesen. Und selbst die war sehr schnell von der Polizei aufgelöst worden.
»Du bist doch total high«, brachte ich schließlich hervor. »Glaubst du echt, wenn du Jesses Leben rettest … in der Nacht, in der er starb … dass er dann ein langes Leben führen würde? Wer sagt denn, dass Diego es in der nächsten Nacht nicht wieder versuchen würde? Oder in der darauf? Was willst du dagegen unternehmen – in den 1850ern bleiben und Jesses Bodyguard spielen?«
»Wenn’s sein muss.« Paul klang jetzt widerlich flötend. »Weißt du, ich würde alles tun – wirklich alles –, um dafür zu sorgen, dass Jesse erst im hohen Alter sanft und zufrieden einschläft und niemals die Hilfe eines Mittlers benötigt.«
Die Farben um mich herum – das Rot der Dachziegel, das Rosa der Eibischblüten, das Grün der Palmwedel – führten auf einmal einen psychedelischen Tanz auf, während Pauls Worte in mein Bewusstsein drangen. Ich schmeckte Galle auf der Zunge.
»Warum tust du das?«, fragte ich ihn entsetzt. »Du musst doch wissen, dass das niemals funktioniert. Jesse loszuwerden, wird mich nicht in deine Arme treiben. Ich mag dich nicht! «
»Nicht?« Pauls Lächeln war so kalt wie sein Blick. »Komisch, bei unserem letzten Kuss fühlte sich das anders an. Ein bisschen zumindest, ein ganz kleines bisschen …«
Er führte den Satz nicht zu Ende, und ich wusste nicht, worauf er hinauswollte.
»Was soll das heißen?«
»Ein bisschen denkst du doch darüber nach, meine Seele aus meinem Körper zu kegeln und stattdessen Jesses Seele hier einzupflanzen. Stimmt’s?«
Kapitel 8
D u brauchst es gar nicht zu leugnen«, fuhr Paul fort, als er meinen entsetzten Blick sah. »Ich weiß doch, was du vorhast. Schon seit ich dir von meinem Plan erzählt habe, denkst du darüber nach.« Die Hitze seiner Hand schien meinen Arm zu versengen. »Dass ich Jesses Leben retten will, ist eher eine Art Präventivschlag. Ich steh nämlich total auf meinen Körper und möchte ihn nicht für Jesse hergeben.«
Mein Mund bewegte sich anscheinend, denn Paul wirkte so, als lausche er gespannt auf meine Antwort. Nur dass kein einziger Laut über meine Lippen drang. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos.
Jetzt ergab alles plötzlich einen Sinn. Die Anschuldigung, die Paul mir neulich in der Küche an den Kopf geworfen hatte. Dass seine Pläne für Jesse sehr viel menschlicher waren als das, was ich mit Paul vorhatte. Denn er wollte Jesse retten, während ich – so glaubte er – Paul umbringen wollte.
Was ich natürlich überhaupt nicht vorhatte.
Aber das schien ihn nicht zu interessieren.
»Schon gut«, beschwichtigte mich Paul. »Ich meine, ich nehm’s mal als Kompliment. Dass du mich so scharf findest, dass du die Seele deines Lovers in mich transferieren willst. Das zeigt mir, dass dir ein bisschen was an mir liegt. Zumindest körperlich.«
»Das ist ja wohl …« Da war sie endlich wieder, meine Stimme, wenn auch etwas rau und kratzig. Egal. Ich wollte ihm nur klarmachen, wie sehr er danebenlag. »Blödsinn! Wie kommst du überhaupt … wieso glaubst du, dass ich …?«
»Ach, komm schon,
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