Susannah - Auch Geister koennen kuessen
ihre Brieftasche höchstens einmal im Jahr aus …
Er verzog das Gesicht. Er musste Schmerzen haben, denn ich sah, wie er ein paarmal auf den Schmerzmittelknopf drückte. Dann entspannte sich sein Gesicht wieder. »Doch. Ich hab das Foto noch. Meine Brieftasche ist da in der Schublade.«
Ich zog die Schublade an seinem Nachttisch auf. Tatsächlich, die Brieftasche war da, ein schmales schwarzes Ding aus Leder. Ich holte sie raus und öffnete sie. Heathers Bild steckte zwischen einer goldenen American-Express-Karte und einem Skiliftpass. Heather sah richtig aufgebrezelt aus, die lange blonde Haarpracht über eine Schulter fließend, der Blick kokett auf die Kamera gerichtet. Ich dagegen sehe auf Schulfotos immer so aus, als hätte gerade jemand »Feuer!« gebrüllt. Ich konnte es nicht fassen, dass ein Typ, der mit so einem attraktiven Mädchen wie Heather zusammen gewesen war, jetzt Interesse an jemandem wie mir hatte.
»Kann ich mir das Foto mal ausleihen?«, fragte ich. »Ich bring's dir auch bald zurück.« Das war gelogen, aber anders hätte er es mir vermutlich nicht überlassen.
»Klar, klar.« Er wedelte matt mit der Hand.
»Danke.« Ich steckte das Foto gerade in meinen Rucksack, als plötzlich eine Frau in den Vierzigern ins Zimmer platzte. Sie trug jede Menge Goldschmuck und in der Hand eine Schachtel mit Gebäck.
»Bryce, Liebling«, sagte sie. »Wo sind denn deine ganzen Freunde abgeblieben? Jetzt hab ich doch extra ein paar Kleinigkeiten für alle geholt.«
»Ach, die sind gleich wieder da, Mom«, sagte Bryce müde. »Das ist Suze. Sie hat mir gestern das Leben gerettet.«
Mrs Martinson reichte mir eine weiche sonnengebräunte Hand. »Nett, Sie kennenzulernen, Susan«, sagte sie und drückte kaum merklich meine Finger. »Unglaublich, was dem armen Bryce in letzter Zeit alles zugestoßen ist, nicht wahr? Sein Vater ist völlig außer sich. Als wäre die Geschichte mit diesem verrückten Mädchen nicht schon schlimm genug gewesen … Jetzt auch noch das. Mir scheint, die Academy steht unter einem bösen Fluch oder so.«
»Ja, freu mich auch, Sie kennenzulernen. Ich muss jetzt leider wieder gehen.«
Niemand wandte etwas dagegen ein – Mrs Martinson, weil ich ihr völlig egal war, und Bryce, weil er eingeschlafen war.
Adam und Cee Cee standen vor dem Zimmer genau gegenüber. Als ich mich näherte, legte sich Cee Cee einen Finger an die Lippen. »Hör mal«, flüsterte sie.
Ich lauschte.
»Das hätte wirklich zu keinem unpassenderen Zeitpunkt geschehen können«, sagte eine vertraute männliche, ältere Stimme gerade. »Jetzt wo es bis zum Besuch des Erzbischofs nur noch ein paar Wochen sind …«
»Es tut mir wirklich unglaublich leid, Constantine.« Pater Dominics Stimme klang schwach. »Ich weiß, welche Belastung das für Sie bedeutet.«
»Ausgerechnet Bryce Martinson! Wissen Sie, wer sein Vater ist? Einer der besten Anwälte in ganz Salinas!«
»Oh, oh, Pater Dom kriegt aber ganz schön sein Fett weg«, flüsterte Adam mir zu. »Der Arme.«
»Monsignore Constantine sollte sich am besten im nächsten See ertränken.« Cee Cees rotviolette Augen blitzten. »Dieser vertrocknete alte Tattergreis …«
»Wollen wir mal schauen, ob wir Pater Dominic nicht unter die Arme greifen können?«, raunte ich. »Vielleicht könntet ihr beide den Monsignore ablenken, und ich gucke nach, ob Pater Dom was braucht. Ganz schnelle Aktion, zack, rein und dann wieder weg.«
Cee Cee zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen.«
»Ich bin dabei«, sagte Adam.
Also rief ich laut: »Pater Dominic?«, und stürzte gleich darauf in sein Krankenzimmer.
Das weder so groß noch so farbenfroh gestrichen war wie das von Bryce. Die Wände waren beige, nicht gelb, und es gab nur eine einzige Blumenvase. Soweit ich das sehen konnte, ging das Fenster zum Parkplatz raus. Und an eine Schmerzmittel-Selbstbedienung war Pater Dominic auch nicht angeschlossen. Ich weiß ja nicht, wie Gottesmänner so versichert sind, aber in Pater Dominics Fall war es eindeutig nicht so, wie es hätte sein sollen.
Zu sagen, er sei überrascht gewesen, mich zu sehen, wäre eine gelinde Untertreibung. Die Kinnlade fiel ihm regelrecht herunter. Und er schien nicht in der Lage zu sein, auch nur ein Wort rauszubringen. Was mir ganz recht war, denn gleich nach mir stürmte Cee Cee ins Zimmer: »Oh, Monsignore! Gut, dass ich Sie hier treffe, wir haben Sie schon überall gesucht. Wir möchten nämlich, wenn Sie nichts dagegen haben, einen
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