Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
Lebensphilosophie sich nicht mit organisierter Religion verträgt. Und was ist mit dir?«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Keine Ahnung. Den Buddhismus finde ich irgendwie cool. Diese ganze Reinkarnationstheorie ist doch ganz verlockend.«
»Du meinst Hinduismus, du Doofnuss«, sagte Gina. »Und ich wollte eigentlich wissen, wie es bei dir mit dem Rauchen aussieht.«
»Ach so, okay. Irgendwie hab ich nie einen echten Drang dazu entwickelt, wieso?« Ich grinste sie an. »Hat Schlafmütz dir etwa noch nicht erzählt, wie er mich mal beim Rauchen erwischt hat?«
Sie runzelte die Stirn. »Nein, hat er nicht. Und es wäre schön, wenn du ihn nicht immer Schlafmütz nennen würdest.«
Ich verzog das Gesicht. »Na schön, dann Jake. Der war echt auf hundertachtzig damals. Du solltest dich lieber nicht von ihm erwischen lassen, sonst lässt er dich garantiert fallen wie eine heiße Kartoffel.«
»Das bezweifle ich«, sagte Gina mit einem rätselhaften Lächeln.
Ach, wahrscheinlich hatte sie recht. Wie es sich wohl anfühlte, Gina zu sein und mitzuerleben, wie jeder Junge, den man kennenlernt, einem sofort verfällt? Die einzigen Jungs, die mir je verfielen, waren so Typen wie Michael Meducci. Und der war eigentlich gar nicht so richtig in mich verliebt. Eher in die Vorstellung, dass ich in ihn verliebt war. Noch immer konnte ich nicht daran denken, ohne sofort zu erschauern.
Seufzend schaute ich aus dem Fenster. Die leicht abfallende, von Zypressen gesprenkelte Landschaft erstreckte sich etwa eine Meile weit bis zum Meer, das im hellen Nachmittagslicht blau-grün funkelte.
»Ich verstehe echt nicht, wie du das alles aushältst.« Gina stieß eine graue Rauchwolke aus. Ihrem Tonfall nach zu urteilen, war sie wieder beim Thema Religion angekommen. »Ich meine, angesichts dieser ganzen Mittler-Sache muss dir jede Religion doch wie gequirlte Volksverblödung erscheinen.«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich war in der Nacht so spät nach Hause gekommen, dass Gina und ich noch
keine Gelegenheit gehabt hatten, uns »ernsthaft zu unterhalten«. Sie hatte tief und fest geschlafen, als ich mich ins Haus geschlichen hatte. Was mir ganz lieb gewesen war angesichts meiner totalen Erschöpfung.
Zum Einschlafen war ich aber trotzdem nicht erschöpft genug gewesen.
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich meine, ich hab nicht die geringste Ahnung, wohin die Geister gehen, nachdem ich sie aus ihrer Zwischenwelt wegbefördert habe. Sie sind einfach … weg. Vielleicht im Himmel. Vielleicht im nächsten Leben. Das werde ich wohl erst rausfinden, wenn ich mal selber sterbe.«
Gina blies die nächste Rauchwolke zum Fenster hinaus. »Aus deinem Mund klingt das wie ein Umzug oder so«, sagte sie. »Als würde man nach dem Tod einfach seine Adresse wechseln.«
»Na ja, so ungefähr funktioniert es meiner Meinung nach auch. Aber frag mich bloß nicht, wie die Adresse im Jenseits lautet, das weiß ich nämlich nicht.«
»So.« Gina drückte ihre Zigarette an der Mauer aus und schnippte den Stummel gekonnt über die Wand der nächstgelegenen Kabinentür direkt in die Toilettenschüssel. Erst platschte es leise, dann zischte es. »Also, was war letzte Nacht los?«
Ich erzählte ihr alles. Von den RLS-Engeln, die dachten, Michael hätte sie umgebracht. Von Michaels Schwester und von dem Unfall auf dem Pacific Coast Highway. Dass Josh und seine Kumpels sich an Michael rächen wollten und wie Pater Dominic und ich bis tief
in die Nacht auf sie eingeredet hatten, bis sie endlich einwilligten, uns mit Michael auf die gute alte gesetzliche Art umgehen zu lassen: ihn der Justiz auszuliefern, nicht einem paranormalen Killerkommando.
Nur von Einem erzählte ich ihr nicht: von Jesse. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, ihn sollte ich lieber verschweigen. Vielleicht wegen dem, was die Hellseherin gesagt hatte. Oder weil ich Angst hatte, dass Madame Zara recht behalten würde und ich die totale Versagerin war, die sich nur einmal im Leben verlieben würde, und zwar in einen Kerl, der
1. mich seinerseits nicht liebte und
2. nicht gerade der Traumschwiegersohn war, den ich Mom würde vorstellen können, weil er nämlich noch nicht mal lebendig war.
Oder … Na ja, vielleicht war Jesse einfach mein Geheimnis, das ich gern für mich allein behalten wollte, wie so ein dummes Gör, das sich in einen Popstar verliebt hat. Vielleicht würde ich mich irgendwann vor mein Schlafzimmerfenster stellen und ein Plakat hochhalten: Jesse, möchtest du mit
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