Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
Gina tat dasselbe, aber in ihrem Fall lag das womöglich daran, dass sie die Gesten gar nicht richtig mitbekommen hatte.
»Hoffentlich weißt du, was du tust«, sagte sie nur, und es war klar, dass sie damit keinen meiner Stiefbrüder meinte. Was die beiden zu verblüffen schien - wieso sollte meine Freundin denn auch lieber mit mir reden als mit ihnen ?«
»G.«, tat ich überrascht. »Wofür hältst du mich? Für einen blutigen Laien?«
»Nein«, erwiderte Gina. »Für eine Vollidiotin.«
Ich lachte, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob sie es wirklich als Witz gemeint hatte. Einige Zeit später sollte ich feststellen, dass daran auch überhaupt nichts witzig war.
Denn wie sich herausstellte, sollte Gina hundertprozentig recht behalten.
KAPITEL 15
H ier kommt eine universelle Wahrheit über Mörder. Wenn jemand von euch einen kennt, wird er mir sicher recht geben.
Sie prahlen gern mit ihren Taten. Sie können einfach nicht anders.
Ehrlich. Mörder sind echt eitel. Und das ist in der Regel ihr Verderben.
Versuchen wir, die Sache mal aus ihrer Perspektive zu betrachten: Sie haben ein großes Verbrechen begangen und sind damit davongekommen. Also, sie haben ein richtig riesiges Ding gedreht und keiner findet heraus, dass sie dahinterstecken.
Und sie können niemandem davon erzählen. Keiner Menschenseele.
Und genau das macht ihnen zu schaffen - dass sie ihr brillantes Geheimnis keinem anvertrauen können. Am Ende führt exakt das dazu, dass sie sich verraten.
Nicht falsch verstehen: Sie wollen nicht gefasst werden. Sie wollen nur, dass jemand die Genialität, mit der
sie ihr Verbrechen begangen haben, bewundert. Klar, es war ein grässliches - manchmal gar unvorstellbares - Verbrechen. Aber hey, alle mal herschauen! Sie haben es getan und sind damit durchgekommen! Sie haben die Polizei verarscht. Sie haben alle verarscht. Das muss man doch jemandem erzählen. Es geht nicht anders. Wo bliebe sonst der Spaß an der Sache?
Das sind natürlich nur meine persönlichen Beobachtungen. Ich habe in meinem Job als Mittlerin schon einige Mörder kennengelernt und das haben sie alle gemeinsam gehabt. Nur die, die es wirklich schaffen, die Klappe zu halten, kommen am Ende davon. Alle anderen - ab ins Knackiland!
Und so kam es mir gar nicht so abwegig vor, dass Michael - der ja davon überzeugt war, ich sei in ihn verliebt - beschließen könnte, mit seiner Tat vor mir zu prahlen. Er hatte im Grunde schon ein bisschen damit angefangen, als er gesagt hatte, Josh und die anderen würden nur »unnötig Atemluft verbrauchen«. Wenn ich ein bisschen nachhakte, konnte ich ihn vielleicht dazu bringen, dass er mir etwas erzählte, was sich als Geständnis an die Polizei weiterreichen ließe.
Wie bitte? Ob ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich einen Typen ausspionierte, der im Prinzip nichts anderes getan hatte, als sich an den Leuten zu rächen, die seine Schwester quasi auf dem Gewissen hatten?
Hey, hallo? Nein, in meinem Job kommt schlechtes Gewissen nicht vor. Für mich gibt es nur zwei Sorten Menschen: die Guten und die Bösen. Und soweit ich es
sehen konnte, gab es in diesem Fall weit und breit keinen einzigen Guten zu entdecken. Alle hatten verwerfliche Sachen gemacht, angefangen von Lila Meducci, die sich sozusagen ins Koma gesoffen hatte, bis hin zu den RLS-Engeln, die den Alkohol überhaupt erst zur Verfügung gestellt hatten. Mag sein, dass die einen Verbrechen schlimmer waren als die anderen - Michaels vierfacher Mord bildete die einsame Spitze -, aber ehrlich gesagt, ich fand die Beteiligten durch die Bank zum Kotzen.
Die Antwort lautet also: Nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen. Je rascher Michael das bekam, was er verdiente, desto rascher konnte ich mich wieder den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen: mich mit meiner besten Freundin an den Strand legen und möglichst viele Sonnenstrahlen einfangen.
Erst nach Unterrichtsschluss erhielt ich einen ersten Hinweis darauf, dass der Nachmittag vielleicht doch nicht ganz so verlaufen würde, wie ich es geplant hatte. Ich war gerade auf der Mädchentoilette, um mich im Spiegel über den Waschbecken zu schminken - als gut aussehende Verlockung hatte man es sicher leichter, jemandem ein Geständnis abzuringen.
Da ging die Tür auf, und Kelly Prescott kam herein, dicht gefolgt von ihrem Schatten Debbie Mancuso. Allerdings waren sie offenbar weder gekommen, um sich zu erleichtern, noch um ihr Make-up aufzufrischen, denn sie bauten sich nur neben mir
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