Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
anrufen und irgendwelche anonymen Hinweise geben.«
Ich schob die Kerzenschachtel auf meinen Armen hin und her. Hm, so gegen vier Uhr morgens war mir die Idee mit der Polizei noch ziemlich klasse erschienen. Fast die ganze Nacht hatte ich wach gelegen und mir überlegt, was wir in der Sache mit den RLS-Engeln und Michael Meducci bloß machen sollten, und dann war mir eben dieser Einfall gekommen.
»Aber …«
»Außerdem werden Sie auf keinen Fall versuchen«, fuhr Pater Dominic fort, der mein Problem mit der Schachtel endlich bemerkte, denn er nahm sie mir behände ab und stellte sie auf die oberste Sprosse der Leiter, »mit Michael allein darüber zu sprechen.«
Was genau mein Plan B gewesen wäre. Wenn das mit dem anonymen Hinweis nichts werden sollte, wollte ich Michael irgendwo in eine Ecke drängen und ihm - mit guten Worten oder fliegenden Fäusten, was auch immer sich als effektiver erweisen sollte - ein Geständnis entlocken.
»Sie überlassen mir das Ganze«, schloss Pater Dominic so laut, dass der Tourist mit dem Madras-Hemd, der gerade den Altar fotografieren wollte, die Kamera sinken ließ und hastig davonmarschierte. » Ich werde mit dem jungen Mann sprechen, und ich versichere Ihnen, sollte er dieses abscheulichen Verbrechens wirklich schuldig sein …«
Ich holte Luft, um zu protestieren, aber Pater Dominic hielt Ruhe gebietend den Zeigefinger hoch.
»Nein, Sie hören mir zu«, sagte er, etwas leiser diesmal, aber nur, weil gerade eine Novizin hereingekommen war. Sie hatte einen Stapel schwarzer Tücher dabei, mit denen die vielen Marienstatuen der Basilika verhängt werden sollten, bis nach Ostern. Religion ist echt eine seltsame Angelegenheit, sag ich euch.
»Sollte Michael sich wirklich des Verbrechens schuldig gemacht haben, dessen die vier Opfer ihn bezichtigen, dann werde ich ihn davon überzeugen, dass er eine Beichte ablegen muss.« Pater Dominic schien es damit ernst zu sein. Selbst ich, die ich doch nichts verbrochen hatte, verspürte beim Blick in seine durchdringenden Augen plötzlich das Bedürfnis zu beichten. Als Kind hatte ich Mom mal fünf Dollar aus dem Geldbeutel geklaut, um mir eine Jumbotüte Kaubonbons zu kaufen. Vielleicht sollte ich das jetzt beichten.
»So«, sagte Pater Dom und schob den Ärmel seiner Soutane ein Stück nach oben, um auf seine Armbanduhr zu schauen. Billiges Teil - wurden Priester nicht anständig genug bezahlt, dass sie sich was Gutes leisten konnten? »Mr Meducci müsste gleich hier sein, deswegen würde ich Sie bitten, sich jetzt zu entfernen. Ich glaube, es wäre besser, wenn er uns nicht zusammen sieht.«
»Wieso? Er kann ja nicht wissen, dass wir beide uns letzte Nacht mit seinen Opfern unterhalten haben.«
Pater Dominic legte mir eine Hand auf den Rücken
und schob mich weg. »Los, gehen Sie schon, Susannah«, drängte er väterlich.
Also ging ich, wenn auch nicht sehr weit. Sobald Pater Dom mir den Rücken zuwandte, duckte ich mich unter eine Kirchenbank und wartete. Worauf, hätte ich nicht sagen können. Na ja, vielleicht doch: Ich wartete auf Michael. Ich wollte mir ansehen, ob Pater Dominic ihn wirklich dazu bringen würde, ein Geständnis abzulegen.
Lange musste ich nicht ausharren. Keine fünf Minuten später drang Michaels Stimme aus nicht allzu weiter Ferne zu mir herüber. »Pater Dominic? Schwester Ernestine sagte, Sie wollten mich sprechen?«
»Ah, Michael.« In Pater Dominics Stimme war nichts von dem Entsetzen zu hören, das ihm sicher der Gedanke bereitete, einer seiner Schüler könnte ein Mörder sein. Er klang entspannt, ja geradezu freundlich.
Die Schachtel mit den Kerzen klapperte.
»Hier«, sagte Pater Dominic. »Könnten Sie die bitte mal halten?«
Offenbar hatte er Michael gerade die Schachtel in die Hand gedrückt, die eben noch ich in der Hand gehabt hatte.
»Ähm«, stammelte Michael. »Aber klar, gern.«
Ich hörte, wie die Trittleiter zugeklappt wurde. Dann hob Pater Dom sie an und wanderte zur nächsten Station des Kreuzwegs weiter. Sofort wurde es für mich viel schwerer, das Gespräch mitzuhören.
»Ich mache mir Sorgen um Sie, Michael«, fing Pater
Dominic an. »Ich habe gehört, der Zustand Ihrer Schwester habe sich noch nicht signifikant verbessert.«
»Das stimmt.« Michaels Stimme war so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte.
»Das tut mir wirklich leid. Lila ist so ein bezauberndes Mädchen. Sie lieben sie bestimmt sehr.«
»Ja, Pater«, sagte Michael.
»Wissen Sie …«, fuhr Pater
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