Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
der Sandpapierzunge eifrig übers Fell.
»Ich meine, er war da«, sagte ich. »Michael. Er war direkt nach dem Unfall bei uns, hat uns aus dem Wrack geholfen …« Zuletzt hatte ich Michael gesehen, als hinter Gina, meinen Stiefbrüdern und mir die Türen des Krankenwagens
geschlossen worden waren. Er hatte noch bleicher ausgesehen als sonst und ziemlich besorgt.
Nein. »Das …« Ich stand gerade vor Ginas Gästebett, als ich zu Jesse herumwirbelte. »Das kann einfach nicht sein. So etwas würde Michael doch nie tun.«
Jesse lachte. Aber es klang alles andere als fröhlich.
»Wirklich nicht?«, entgegnete er. »Ich kenne vier Leute, die das ganz anders sehen dürften.«
»Aber warum sollte er das tun?« Ich schüttelte diesmal so heftig den Kopf, dass meine Haare in alle Richtungen flogen. »Ich meine, okay, Hatschi ist ein Idiot, aber das ist doch noch lange kein Grund, ihn umbringen zu wollen, oder? Und alle anderen, die im Auto saßen, sind vollkommen unschuldig. Mich eingeschlossen.« Ich löste den Blick von Spike, der gerade auf seiner eigenen Pfote herumkaute, um den Dreck zwischen den Krallen rauszukriegen. »Michael kann doch kein Interesse daran haben, mich tot zu sehen. Ich bin seine einzige Chance auf eine weibliche Begleitung beim Abschlussball!«
Jesse sagte kein Wort.
Plötzlich fiel mir etwas ein. Etwas, was mir sofort den Atem raubte.
»Oh Gott.« Ich griff mir an die Brust und ließ mich aufs Bett sinken.
Jesses neutraler Gesichtsausdruck verwandelte sich in einen besorgten.
»Was ist los, Susannah?«, fragte er ängstlich. »Ist dir nicht gut?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, mir ist gar nicht gut«, sagte ich und starrte wie blind auf die Wand mir gegenüber. »Jesse … Er hatte mich gebeten, bei ihm mitzufahren. Direkt vor dem Unfall. Er hat eindringlich auf mich eingeredet, dass ich bei ihm mitfahren soll. Und als Schlafmütz sagte, entweder ich käme mit nach Hause oder er würde mich bei Mom verpetzen, sah es sogar so aus, als würden die Jungs sich meinetwegen prügeln.«
»Natürlich«, sagte Jesse in einem für seine Verhältnisse extrem trockenen Ton. »Er hatte Angst, dass seine … wie hast du es eben genannt … seine einzige Chance auf eine weibliche Begleitung beim Abschlussball umkommen könnte.«
»Ich fasse es nicht!« Ich stand auf und lief wieder im Zimmer auf und ab. »Aber warum bloß? Warum Hatschi? Ich meine, ja, er ist ein Volltrottel, aber wieso sollte Michael ihn umbringen wollen?«
»Vielleicht aus demselben Grund, warum er auch Josh und die anderen umgebracht hat«, sagte Jesse leise.
Ich blieb wie angewurzelt stehen. Dann drehte ich mich langsam zu Jesse um. Aber ich sah ihn nicht wirklich an, sondern dachte an etwas zurück, was Hatschi mal gesagt hatte, vor … Es kam mir vor, als wäre es Wochen her, dabei war es erst vor ein, zwei Tagen gewesen. Wir hatten über den Unfall gesprochen, bei dem die RLS-Engel ihr Leben verloren hatten, und Hatschi hatte etwas über Mark Pulsford gesagt. Wir haben mal zusammen gefeiert. Letzten Monat, im Carmel Valley.
Ob es sich um dieselbe Party handelte, auf der Lila Meducci in den Pool gefallen war? Mir gefror das Blut in den Adern.
Ohne noch ein Wort zu Jesse zu sagen, riss ich meine Zimmertür auf, stapfte die drei Schritte zu Hatschis Zimmer hinüber und hämmerte mit aller Kraft an seine Tür.
»Lass mich in Ruhe!«, dröhnte Hatschis Stimme nach draußen. »Ich hab doch schon leiser gemacht!«
»Es geht nicht um die Musik«, sagte ich. »Sondern um was ganz anderes. Darf ich reinkommen?«
Ich hörte, wie eine Langhantel klappernd ins Gestell gehievt wurde, dann brummte Hatschi: »Na meinetwegen.«
Ich legte die Hand auf den Türknauf und drehte ihn herum.
An dieser Stelle würde ich gerne eine Zwischenbemerkung loswerden. Ich war schon mal in Schweinchen Schlaus Zimmer gewesen. Sogar schon öfter, weil er - obwohl er drei Klassen unter mir war - immer meine Anlaufstelle darstellte, wenn ich mit einer Hausaufgabe nicht weiterkam. Und ich war sogar schon mal im Zimmer von Schlafmütz gewesen, weil er morgens normalerweise auf brutale Weise wachgerüttelt werden musste, damit er uns zur Schule fuhr.
Aber ich war noch nie, kein einziges Mal, in Hatschis Zimmer gewesen. Ehrlich gesagt hatte ich immer gehofft, dass ich nie einen Grund haben würde, über seine Schwelle zu treten.
Aber nun hatte ich einen Grund, einen zwingenden. Ich holte tief Luft und trat ein.
Im Zimmer war es dunkel. Das war darauf
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