Susanne Barden - 03 in New York
»Nein, nein!« Dann blickte sie verlegen an sich herunter.
Frau Bencordo lachte herzlich. »Das Kleid ist gut genug. Ich hab auch keine schönen Kleider - und die anderen Frauen auch nicht. Wir sind alle arm wie Hunde. Kein Geld, keine Kleider - nur gut Freund. Wirst du kommen?«
Frau Krasnicki atmete heftig. Dann nickte sie schüchtern. »Gutes Kind!« sagte Frau Bencordo mütterlich und stand auf. »Morgen ich komm dich holen. Du brauchst nicht Angst haben. Die Frauen werden dich lieben - solche nette kleine Mamma - mit so hübschem Sohn.«
Als sie schließlich davonging, starrte Frau Krasnicki ihr verwirrt nach. Einmal sah sich Frau Bencordo noch um und winkte freundschaftlich. Susy hielt den Atem an, als Frau Krasnicki ihren dünnen Arm hob und schüchtern wiederwinkte. Dankbar lief sie der Italienerin nach. »Sie sind ein Goldstück!« rief sie, als sie sie eingeholt hatte. Ihre Wangen waren gerötet. Ihre Augen ruhten warm auf dem dunklen gütigen Gesicht.
»Das ist doch nicht der Rede wert!« wehrte Frau Bencordo strahlend ab. »Ich war auch einmal jung und - fürchtete mich. Und mein Mann - verstand nicht. E poi! Ich mag Ihren roten Kopf - und ich mag die kleine Krasnicki. Das ist alles.«
»Sie sind dennoch ein Goldstück!«
Frau Bencordos Zähne blitzten, während sie lachte. »E una bonta in lei, anche!«
»Was heißt das?«
»Sie sind ein gutes Mädchen - gut!«
Endlich trennten sie sich. Wie berauscht setzte Susy ihre Besuchsrunde fort. Am liebsten hätte sie laut gesungen und getanzt. Es vergingen einige Tage, bevor sie wieder zu Frau Krasnicki kam. Auf ihr Pochen an der Wohnungstür öffnete ihr eine überraschende Erscheinung - die junge Polin mit dem Kopf voller Lockenwickel. Die Wohnung war peinlich sauber; ebenso das Baby. An den Fenstern hingen geblümte Vorhänge. Das Bett war in eine Couch mit vielen Kissen umgewandelt. Eine rote Geraniumpflanze flammte auf dem Tisch. Frau Krasnicki war noch nicht fertig angezogen und lief geschäftig hin und her.
»Was ist denn los?« fragte Susy erstaunt.
»Besuch!« erklärte die junge Frau strahlend. »Kommen heute.«
»Ach so!« rief Susy erfreut. »Wie entzückend es hier aussieht! Wo haben Sie den hübschen Stoff her?«
»Was?«
Susy zeigte auf die Vorhänge und die Sofakissen.
»Frau Bencordo hat mir gegeben«, antwortete Frau Krasnicki stolz und selig. »Meine Freundin Frau Bencordo.«
Susy schluckte. »Wie nett! Und nun haben Sie sogar eine Gesellschaft. Was sagt denn Ihr Mann dazu?«
Diesmal zuckte die junge Frau nicht die Achseln. »Er freut auch.« Sie zeigte auf den Geraniumtopf. »Von ihm. Er sagt, ich muß hübsch machen für Besuch.« Die Worte klangen, als kämen sie aus Frau Bencordos Mund.
Als Susy die Treppe hinunterging, hörte sie immer noch das beseligte »meine Freundin Frau Bencordo .«
Die Schritte auf der Treppe
Bald nachdem Frau Krasnicki aus ihrer Teilnahmslosigkeit erwacht war, geschahen sehr sonderbare Dinge in dem kleinen Haus der Mädchen. Eines Abends waren sie ziemlich früh ins Bett gegangen - Kit wieder in ihrem Zimmer -, da hörten sie das bekannte wischende Geräusch, das dem furchtbaren Schrei voranzugehen pflegte. Aber der Schrei selber kam nicht zum Ausbruch. Es begann diesmal mit dem unheimlichen Wispern, mit dem er sonst immer endete, ging dann in heiseres Krächzen über und brach plötzlich ab.
Nach kurzem, erstauntem Schweigen brachen die beiden Mädchen in lautes Gelächter aus. »Susy!« rief Kit. »Hast du das gehört? Unser Gespenst hat sich erkältet.«
»Ich glaube eher, daß seine Stimmbänder vom vielen Schreien angegriffen sind.« Susy sprang aus dem Bett und lief zur Treppe, gerade noch rechtzeitig, um die geisterhaften Schritte zu sehen. Sie lachte wieder - »dem Gespenst direkt ins Gesicht«, wie Kit später bemerkte - und rief über ihre Schulter: »Es ist aber trotzdem auf und geht umher. Soll ich ihm Aspirintabletten auf die Treppe legen? Ich könnte ja eine Gebrauchsanweisung dazu schreiben.«
»Du könntest ihm auch ein Fläschchen Jod hinstellen.«
»Ja, das wäre auch nicht übel.« Susy ging, immer noch lachend, in ihr Zimmer zurück. Aber bald sollte den Mädchen das Lachen vergehen. In der Nacht wachte Susy mit einem Durstgefühl auf und trank etwas Wasser. Plötzlich war sie hellwach und konnte nicht wieder einschlafen. Sie knipste ihre Nachttischlampe an und begann zu lesen. Nach zehn Minuten richtete sie sich im Bett auf und schnüffelte mißtrauisch. Was war denn
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