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Susanne Barden 04 - Weite Wege

Susanne Barden 04 - Weite Wege

Titel: Susanne Barden 04 - Weite Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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würde. Es war viel schwieriger, gegen Gleichgültigkeit anzugehen als gegen Haß.
    Die Hütte bestand aus zwei Räumen. Die von Schmutz starrende Küche war mit zerbrochenen Möbelstücken, Lumpen und verrosteten Kochtöpfen vollgestopft. Ein altersschwacher Herd strömte eine erstickende Hitze aus. Der Tisch war mit schmutzigem angeschlagenem Geschirr bedeckt. Auf einem Stuhl stand eine Teekanne mit abgebrochener Schnauze, die eine dicke braune Brühe enthielt. Aus einer Ecke starrten vier kleine Kinder herüber.
    In dem angrenzenden Zimmer befanden sich nur ein Bett, ein Stuhl und ein roher Tisch. Aber es war einigermaßen sauber darin, und die Wände waren mit Zeitungspapier beklebt, um den Wind abzuhalten, der durch die Risse in den Wänden blies. Das Zeitungspapier sah noch neu aus, und Susy vermutete, daß Bill es nicht nur mitgebracht, sondern auch selbst befestigt hatte.
    Der Kranke lag wie ein Häufchen Unglück unter einem dicken Federbett, das Gesicht vom Fieber gerötet. Bill begrüßte ihn freundlich und ohne jegliche Arztallüren. »Na, wie geht’s, Jim?« fragte er einfach. Susy stand daneben und wußte nicht recht, was sie tun sollte.
    »Nicht so schlecht, Doktor«, antwortete der Kranke. »Ich schlaf die meiste Zeit.«
    »Das ist gut«, sagte Bill zufrieden. »Dies ist Fräulein Barden, unsere neue Gemeindeschwester. Sie wird Ihnen eine Alkoholabreibung machen.«
    Der Mann nickte ebenso gleichgültig wie vorhin seine Frau. Er sah Susy kaum an. Sie hatte ihm zulächeln und ein paar freundliche Worte sagen wollen, aber es hatte wohl keinen Sinn. Wie sollte sie diese Leute dazu bringen, ihr zu vertrauen, wenn sie sie nicht einmal bemerkten? Natürlich konnte sie beim ersten Besuch nicht viel erreichen. Wortlos machte sie sich an ihre Arbeit.
    Nach einer Weile kam Frau Leffert ins Zimmer geschlurft. »Doktor«, sagte sie unbeholfen, »Ezra Torreys Junge hat sich mit irgendwas hingelegt. Sie möchten bitte mal rüberkommen.«
    »Gut. Ich werde gleich gehen. Fräulein Barden wird sich unterdessen mit Jim beschäftigen.« Damit war er auch schon fort.
    Während Susy flink und geschickt weiterarbeitete, sah sie, wie das Gesicht des Kranken sich allmählich entspannte. »Fühlen Sie sich jetzt besser?« fragte sie einmal. Aber er antwortete nichts. Manchmal hörte sie aus der Küche nebenan schlurfende Schritte oder ein Quäken des kleinsten Kindes. Draußen pfiff der Wind um die Hütte.
    Und dann wurde die Ruhe plötzlich durch einen lauten Schrei von Frau Leffert unterbrochen. Schmerzensschreie des Babys folgten. Susy warf die Bettdecke über ihren Patienten und rannte in die Küche. Frau Leffert kniete vor dem Herd neben dem Baby und sammelte mit bloßen Händen glühende Kohlen von seinem Röckchen, während die drei älteren Kinder sich ängstlich zusammendrängten.
    O Bill! dachte Susy und sprang zu. Im Nu hatte sie die rauchenden Fetzen von dem Körper des Babys abgestreift. »Meine Tasche! Schnell!« rief sie der schluchzenden Frau zu, die ins Krankenzimmer eilte und mit der Tasche zurückkehrte. Die Haut des Babys war nur oberflächlich verbrannt, denn die Kleider hatten es geschützt.
    »Geben Sie mir den Tee, der dort auf dem Stuhl steht!« befahl Su-
    s y.
    »Tee?« Die Frau sah sie verständnislos an.
    »Ja, schnell!«
    Susy riß große Stücke Watte aus dem Karton, den sie stets bei sich hatte, tauchte sie in den kalten Tee und legte sie braun und triefend auf den kleinen Körper. Vor Schreck über die Kälte begann das Kind noch lauter zu schreien. Die Mutter streckte ihre schmutzigen Hände aus, um es der fremden Frau zu entreißen, aber Susy schreckte sie durch einen Blick zurück. Im nächsten Augenblick wurde das Schreien des Kindes leiser, es ebbte zu einem leisen Wimmern ab und verstummte schließlich ganz. Susy wickelte es in ein Tuch und reichte es der Frau. »Da haben Sie Ihr Kind! Es wird jetzt — O Himmel, Ihre Hände!« Rasch legte sie auch auf die Hände der Frau in Tee getauchte Watte.
    »Wie - ist das - bloß möglich?« flüsterte Frau Leffert noch ganz benommen von dem Schreck. »Es hört auf, weh zu tun - fast sofort - von einfachem Tee!«
    »Der Tee tut noch mehr«, belehrte Susy sie. »Es werden keine Brandblasen entstehen und überhaupt keine Spuren zurückbleiben, wenn Sie die Watte mindestens vierundzwanzig Stunden lang feucht halten. Lassen Sie sie auf keinen Fall austrocknen, besonders nicht bei dem Kind. Ihre Hände werden Sie nicht die ganze Nacht zu behandeln

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