Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt
ihnen bist, werden sie dich mit Freuden aufnehmen. Bist du abweisend, so werden sie dich in Ruhe lassen.«
»Mehr will ich ja gar nicht. Ach, ich wünschte, ich hätte strähniges Haar, eine platte Nase und vorstehende Zähne.«
»Du würdest unglücklich sein.«
Bettina hatte der Unterhaltung gespannt zugehört. »Ich finde dich nett, Karla«, sagte sie nun. »Und ich werde auch niemals zu dir sagen, daß du schön bist.«
Karla lachte und stand auf. »Ich muß gehen. Nell hat gesagt, ich dürfe nicht zu lange bleiben. Es war wundervoll bei Ihnen, Frau Barry. Darf ich wieder einmal herkommen? Ich bin - ein bißchen allein zu Hause.«
»Du kannst jederzeit kommen«, antwortete Susy warm. »Sag mal - möchtest du nicht ein paar Mädchen und Jungen aus der Nachbarschaft kennenlernen?«
»Nein, lieber nicht! Vielen Dank!«
Susy begleitete Karla zur Tür. Nachdenklich blickte sie dem sonderbaren Mädchen nach, das langsam heimschlenderte.
Ein gemütlicher Sonntagvormittag
Abends - die Kinder lagen längst im Bett - tranken die Barrys und Anne nach dem Essen eine Tasse Kaffee im Wohnzimmer - eine Gewohnheit, die Anne zwar mißbilligte, aber unendlich genoß.
»Der Platz zum Essen ist am Eßtisch«, sagte sie, sich bequem zurücklehnend. »Dort soll man auch zu Ende essen und nicht hinterher beim Kaffee im Wohnzimmer sitzen, während einen das schmutzige Geschirr vorwurfsvoll anstarrt.«
»Hier können dich die schmutzigen Teller doch nicht sehen«, wandte Susy ein. »Außerdem soll man sich nicht von Geschirr tyrannisieren lassen.«
»Eigentlich hast du recht.«
Die beiden Frauen saßen auf der Couch vor dem Kamin. Susy hatte ein Kleid mit einem weiten, schwingenden Rock an, dessen blaßblaue Farbe ihre Haut besonders zart erscheinen ließ. Neben Annes stämmiger Gestalt wirkte sie wie ein zarter Schmetterling.
Bill hatte seinen Sessel etwas zurückgeschoben und blickte sinnend ins Feuer. Er sah müde aus, fand Susy. Aber Ärzte sahen eigentlich immer müde aus. Es war ein anstrengender Beruf, auch für Bill, der als Leiter des Krankenhauses ziemlich regelmäßige Dienststunden hatte. Nun, trotz Jerrys Streich war es ein ruhiger Nachmittag gewesen. Und morgen war Sonntag. Falls Bill nicht fortgerufen wurde, konnte er lange schlafen und sich tagsüber erholen.
Susy beobachtete ihn verstohlen und fragte sich, was er wohl dachte. Das konnte sie noch immer nicht erraten - nach all den Jahren ihrer Ehe - oder doch nur selten. Er war ganz anders im Wesen als sie, so ruhig und gründlich, während sie lebendig und praktisch das Leben nahm, wie es sich bot.
»Eine gute Ehe wird mit der Zeit immer besser«, dachte Susy. »Anfangs glaubte ich, daß nur die Liebe eine Rolle spielt. Aber es gehört doch noch sehr viel mehr dazu. Die ersten Jahre waren gar nicht leicht. Wir mußten uns erst aneinander gewöhnen. Dann gab es einen toten Punkt, und ich wußte nicht mehr, wohin ich gehörte. Erst danach wuchsen wir richtig zusammen.«
Bill zog seine langen Beine an. »Was war nur heute nachmittag in Jerry gefahren? Wir haben den Kindern doch oft genug verboten, an ein offenes Fenster zu gehen.«
Susy antwortete nicht sofort. »Ich weiß nicht recht«, sagte sie schließlich. »Wahrscheinlich hatte er es vergessen. Er ist mit seinen Gedanken oft anderswo.«
»Ja, das stimmt«, fiel Anne ein. »Manchmal hört er gar nicht, was man zu ihm sagt.«
»Jonny und Tina hören immer, was man sagt, es sei denn, sie wollten mit Absicht nicht hören«, erwiderte Bill. »Aber Jerry schwebt meistens irgendwo in den Wolken.«
»Wie kommt das nur?« fragte Susy. »Es muß doch eine Erklärung dafür geben.«
»Hm - ja. Zwischen dem vierten und fünften Lebensjahr machen Kinder eine schwierige Entwicklung durch. Manche greift das mehr an als andere. Wenn das der Grund für Jerrys Zerstreutheit ist, wird sie sich mit der Zeit geben. Ist der Grund ein anderer, so wird er sich früher oder später herausstellen.«
Susy seufzte. »Bis dahin werde ich wohl in einer Nervenheilanstalt sein.«
»Ich schreib’ dir dann, was es war«, versprach ihr Bill lachend. »Übrigens - wer war eigentlich das aufregende junge Mädchen heute nachmittag? Ich muß sie schon mal irgendwo gesehen haben.«
»Sie ist die Tochter unserer neuen Nachbarin Mona Stuart.«
»Die Tochter von Mona Stuart? Jetzt weiß ich auch, warum sie mir so bekannt vorkam. Sie muß für das Bild >Mädchen mit Weidenkätzchen Modell gestanden haben.«
»Ja, das stimmt.
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