Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt
klingelte. »Wer ist da?« rief sie durchs Fenster.
»Hier ist Ira Prouty. Ich bringe etwas von Marianna.«
»Einen Augenblick! Ich komme sofort.« Susy nahm die Handtücher ab, zog ihre Bluse an und lief nach unten. Ira überreichte ihr ein selbstgebackenes Brot von Marianna, die ausgezeichnet zu backen verstand.
»Danke, Ira! Das ist wirklich reizend. Wie geht es dem Baby?«
»Es ist gesund und munter. Marianna läßt fragen, ob Sie schon etwas von Kit gehört haben.«
»Nein, bis jetzt noch nicht. Ich rufe sie an, sobald ein Brief kommt. Zu schade, daß ihr so weit weg von uns wohnt! Man sieht euch ja gar nicht mehr.«
»Ja, das ist wahr. Aber seitdem wir mit der Landwirtschaft angefangen haben, kommen wir schlecht von zu Hause weg. Na, ich muß weiter. Auf Wiedersehn!«
Nachdem er gegangen war, lief Susy wieder nach oben und bereitete sich zum dritten Mal zu ihrer Schönheitskur vor. Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und studierte die Gebrauchsanweisung für die kostbare Paste.
»Splendids parfümierter Gesichtsschnee entfernt den Staubschleier von Ihrer Haut, der Ihr wahres Selbst verbirgt. Tragen Sie die Paste gleichmäßig auf, lassen Sie sie gut trocknen und spülen Sie das Gesicht dann mit lauwarmem Wasser ab. Eine hübschere, jüngere
Frau wird zum Vorschein kommen, mit einem Wort - Ihr wahres Selbst, nachdem die Paste entfernt ist -.«
»Himmel!« rief Susy lachend. »Da gibt es kein Zögern.« Freigebig schmierte sie sich den ganzen Inhalt der Dose ins Gesicht, so daß die Paste es schließlich wie eine Maske bedeckte. Dann betrachtete sie ihre phantastische Erscheinung im Spiegel. Sie sah wie ein großes gefährliches Insekt aus, fand sie. Wenn die Kinder jetzt heraufkämen, würden sie vor ihr Angst bekommen. Plötzlich schrillte die Haustürklingel. Susy riß entsetzt den Mund auf. Er bildete ein großes rotes O in der graugelben Masse. »Wer ist da?« rief sie durchs Fenster.
»Ist Frau Barry zu Hause?« fragte eine fremde Frauenstimme.
»Ja, ich bin hier. Was wünschen Sie?«
»Ich hätte gern mit Ihnen gesprochen - über Karla.«
Karlas Mutter! Susy mußte hinuntergehen. Aber es würde ein wenig dauern, bis sie wieder menschlich aussah. »Ich komme gleich!« rief sie. »Bitte setzen Sie sich unterdessen ins Wohnzimmer.«
Sie hörte, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Etwas zögernd spülte sie den kostbaren Gesichtsschnee ab und sah ihn wehmütig mit dem Wasser ablaufen. Nun, vielleicht würde er dem Abflußrohr guttun. Rasch riß sie die Handtücher herunter, zog die Bluse über, ergriff eine Puderdose und puderte sich, während sie die Treppe hinunterlief.
Im Wohnzimmer wartete nicht Karlas Mutter, wie Susy erwartet hatte. Als sie eintrat, erhob sich eine Frau mittleren Alters mit einem netten offenen Gesicht aus einem Sessel. Sie hatte keinen Hut auf und trug ein einfaches graues Kleid. »Ich bin Frau Stuarts Wirtschafterin Nell«, stellte sie sich vor. »Hoffentlich störe ich nicht.«
»Aber nein!« log Susy. »Ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Karla hat mir von Ihnen erzählt. Bitte setzen Sie sich.«
Nell setzte sich mit ruhiger Würde. »Ich will Sie nicht lange aufhalten, Frau Barry. Aber Karla spricht fast nur noch von Ihnen, seitdem sie hier gewesen ist. Sie schließt sich sonst nur schwer an, und da dachte ich, ich müßte mit Ihnen über sie sprechen. Ich mache mir oft Sorgen um Karla.«
Während sie sprach, musterte sie Susy unauffällig. Offenbar war sie gekommen, um zu sehen, was für Leute diese Barrys waren. Susy fand das sehr vernünftig, fragte sich jedoch, warum Karlas Mutter nicht selber gekommen sei.
Nell beantwortete ihre unausgesprochene Frage. »Ich habe Karla von klein an aufgezogen, Frau Barry, und war schon lange vor ihrer Geburt bei ihrer Mutter. Frau Stuart ist nicht wie andere Menschen, müssen Sie wissen. Wenn sie arbeitet, bemerkt sie nichts von ihrer Umwelt, und sie arbeitet meistens. Deshalb kümmere ich mich um Karla.«
Plötzlich ertönten die hellen Stimmen der drei Kinder. Aus der Küche drang das Tappen nackter Füße und das Klappern von Geschirr. Der Eisschrank wurde geöffnet und zugeschlagen.
Nell horchte lächelnd auf die Geräusche. »Karla hat mir erzählt, daß Sie drei Kinder haben.«
»Es hört sich an, als wäre es ein halbes Dutzend, nicht wahr?«
»Es hört sich gut an, Frau Barry. In unserem Haus ist es zu still. Ich würde gern Kinderfüße durch meine Küche laufen hören.«
»Das
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