Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt
spielten im Sandhaufen. Sie schienen glücklich und beschäftigt zu sein und keine Neigung zu haben, den Vater zu stören.
Beruhigt ging Susy nach oben, öffnete die Fenster und ließ die frische reine Bergluft in die Zimmer. Das Läuten der Kirchenglocken schallte vom Tal herauf. Jerry sang mit und traf genau den richtigen Ton. Sein feines Stimmchen kam Susy wie die Stimme des Frühlings selber vor.
Bettina kam die Treppe herauf. Ihre Nase war gelb von Blütenstaub, und aus ihrer Spielhose rann Sand.
»Kann ich dir helfen, Mammi?«
»Ja, natürlich.«
Sie machten zusammen die Betten. Susy beobachtete lächelnd, wie sorgsam Bettina die Laken feststeckte. Ihre Zöpfe schwangen bei jeder Bewegung. »Wie schön, daß ich eine Tochter habe!« dachte Susy. Als sie mit den Betten fertig waren, machten sie das Badezimmer sauber.
»Ist sonst noch was zu tun?« fragte Bettina.
»Nein. Lauf jetzt wieder in den Garten, Tina. Und vielen Dank für die Hilfe!«
»Gern geschehen!« Die Zöpfe flogen, als Bettina sich umdrehte und davonlief.
Susy wusch ein Paar Socken von Bill aus und hängte sie an eine Leine neben dem Schuppen. Plötzlich tauchte Jonny aus der Schuppentür auf und rannte auf sie zu, ein merkwürdiges Gebilde in den Händen. Seine zerzausten roten Locken leuchteten in der Sonne; seine blauen Augen strahlten.
»Mammi, Mammi!« schrie er. »Ich hab’ dies hier für dich gemacht. Es ist ein schöner Türaufhalter für dein Zimmer. Wenn du ihn an die Tür stellst, kann sie nicht zubumsen.«
»Wie wundervoll, Jonny! Das hab’ ich mir schon immer gewünscht.« Susy küßte Jonny auf den sandigen Kopf und bewunderte seine Erfindung. Der »Türaufhalter« war ein aus Latten zusammengenagelter wackliger Käfig, der von spitzen Nägeln starrte und einen Stein umschloß.
Jonny glühte vor Stolz und Freude. »Ich mach’ dir alles, was du willst, einfach alles!« beteuerte er und sprang davon.
Susy sah ihm zärtlich nach, während sie sich den Sand vom Mund wischte. Eine Weile stand sie reglos da, den »Türaufhalter« in der Hand. Ein sanfter Wind strich über ihr Gesicht. Die Sonne lag warm auf ihren Schultern. Aus der Scheune ertönte eifriges Hämmern, ein Zeichen dafür, daß Jonny glücklich war. Bettina und Jerry waren damit beschäftigt, eine Karre mit Sand zu beladen. Bills Spaten stieß hin und wieder an einen Stein; das gab einen hellen Klang zu dem dumpfen Aufschlagen der Erde. Der Frühlingsmorgen strahlte Ruhe und Frieden aus.
Plötzlich hatte Susy keine Lust mehr, Hausarbeiten zu machen. Nein, heute wollte sie einmal etwas für sich selber tun - irgend etwas Törichtes, Nutzloses - nur so zum Spaß. Sie lachte leise auf. Ja, das war das Richtige! Sie würde sich einmal in aller Ruhe mit der Pflege ihres Teints beschäftigen. Fühlte sich ihr Gesicht nicht schon ganz trocken und runzlig an? Dagegen mußte etwas getan werden.
Fröhlich lief sie ins Haus und ging nach oben. Nachdem sie Jonnys Türaufhalter an ihre Schlafzimmertür gestellt hatte, zog sie ihre Bluse aus und ging ins Badezimmer. Gerade band sie sich ein Handtuch um den Kopf, da rief Bill etwas ärgerlich von unten: »Susy! Wo ist denn mein Schraubenzieher?«
»Liegt er nicht auf dem Wandbrett im Flur?«
»Nein. Sorge bitte dafür, daß Jonny nicht immer an mein Handwerkszeug geht.«
»Moment, ich komme!« Susy zog ihre Bluse an und lief hinunter. Der Schraubenzieher fand sich weder im Haus noch in der Scheune.
Schließlich entdeckte Bill ihn im Holzschuppen unter einem Sack. »Ach, richtig, ich habe ihn gestern hier gebraucht«, sagte er etwas kleinlaut.
Susy erwiderte nichts und ging gutmütig lachend nach oben. Sie zog noch einmal ihre Bluse aus, band sich wieder ein Handtuch ums Haar und legte ein anderes um die Schultern. Ihre Schönheitsmittel standen auf dem obersten Brett des Badezimmerschrankes außer Reichweite der wißbegierigen Zwillinge. Sie musterte die Dosen und Fläschchen und suchte nach einer Reinigungscreme. Da leuchteten ihre Augen auf. Dort stand ja immer noch, fein in Cellophan verpackt, die teure Dose mit der Verschönerungspaste, die sie von Boston mitgebracht und dann ganz vergessen hatte. Sie wickelte die Dose aus und öffnete sie. Am hohen Preis gemessen war sie ziemlich klein, aber die Paste darin fühlte sich kühl und vielversprechend an und duftete angenehm.
Susy legte heiße Tücher auf ihr Gesicht, bis es krebsrot war, und tupfte es danach gerade vorsichtig mit einem Handtuch ab, als die Haustür
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