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Sushi Für Anfaenger

Sushi Für Anfaenger

Titel: Sushi Für Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nach der Nummer achtundvierzig Ausschau hielt, war dies, seit sie Jack Devine kennen gelernt hatte, der erste Moment, da sie nicht deprimiert war. Schon jetzt konnte sie sich vorstellen, hier zu wohnen.
    Dann sah sie es. Es war das einzige Haus in der Straße, das aussah, als lebten Hausbesetzer darin; zerrissene Vorhänge an den Fenstern, das Gras kniehoch, ein rostiges Auto auf Betonklötzen in der Auffahrt. Sie zählte die Hausnummern durch, um sicher zu sein, welches Haus es war. Zweiundvierzig, vierundvierzig, sechsundvierzig, achtund... Na klar, die Nummer achtundvierzig war das Haus, das aussah, als würde es demnächst abgerissen.
    »Oh, Scheiße«, entfuhr es ihr.
    Sie hatte vergessen, dass die Wohnungssuche die reinste Hölle war, so lange war das her. Eine Reihe von Enttäuschungen, eine herber als die nächste.
    »Fahren Sie weiter«, befahl sie.
    »In Ordnung«, sagte der Taxifahrer. »Wohin jetzt?«
    Die zweite Adresse war ein bisschen besser. Bis eine kleine braune Maus über den Küchenfußboden flitzte und mit schwingendem Schwanz unter dem Kühlschrank verschwand. Lisas Kopfhaut zog sich vor Ekel zusammen.
    Und die dritte Wohnung war als »kompakt« beschrieben worden, obwohl »schuhkartongroß« präziser gewesen wäre. Es war eine Ein-Zimmer-Wohnung mit einem Badezimmer im Schrank und ohne Küche.
    »Wozu brauchen Sie eine Küche, wenn ich fragen darf? Sie als berufstätige Frau, Sie haben ja doch keine Zeit zum Kochen«, sagte der wohlgenährte Vermieter. »Sie sind doch viel zu sehr beschäftigt, die Welt zu managen.«
    »So kann man es auch sehen«, murmelte Lisa vor sich hin.
    Niedergeschlagen ging sie zum Taxi und musste sich auf dem Weg zurück in die Harcourt Street die Geschichte des Taxifahrers anhören, der sie inzwischen als gute Freundin betrachtete.
    »... und mein Ältester, der ist geschickt mit den Händen. Das ist ein ganz Lieber, der hilft, wo er kann. Wechselt Glühbirnen aus, baut Tische zusammen, mäht den Rasen, und die ganzen alten Leutchen in der Straße, die lieben ihn ...«
    Der Fahrer ging ihr maßlos auf die Nerven, doch als sie aus dem Auto stieg, merkte sie, dass er ihr fehlte. Jetzt würde sie nie herausfinden, was passiert war, als er die Mädchenbande zur Rede gestellt hatte, die seine Vierzehnjährige drangsalierte.
    Als sie wieder in ihrem freudlosen Zimmer war, versank sie in bodenlose Trübsal. Weil sie müde war und Hunger hatte, erschien ihr alles noch trostloser. Sie hatte das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben; alles war wie damals, als sie achtzehn war, bei einer miserablen Zeitschrift arbeitete und kein Glück bei der Suche nach einer halbwegs anständigen Wohnung hatte. Irgendwie war sie beim Lebensspiel in eine Spirale geraten, die sie an den Anfang zurückbeförderte. Nur dass es damals Spaß gemacht hatte.
    Damals war sie verzweifelt bemüht, der Enge ihres Elternhauses zu entkommen. Seit sie dreizehn war, hatte sie immer wieder die Schule geschwänzt und war nach London gefahren, wo sie durch die Geschäfte zog und Ladendiebstähle beging. Wenn sie nach Hause kam, hatte sie beide Arme voll mit Make-up, Ohrringen, Halstüchern und Handtaschen und wurde misstrauisch von ihrer Mutter gemustert, die es aber nicht wagte, sie zur Rede zu stellen.
    Mit sechzehn, sobald sie ihre O-Level-Prüfungen gemacht, aber nicht bestanden hatte, zog sie zu Hause aus und ging nach London. Sie und ihre Freundin Sandra - die bei den jungen Leuten merklich in der Achtung stieg, als sie anfing, ihren Namen mit Z zu schreiben - lernten drei schwule Jungen kennen, Charlie, Geraint und Kevin, und zogen zu ihnen in eine Wohnung, die die drei in einem Wohnsilo in Hackney besetzt hatten. Und ein wildes, ausgelassenes Leben begann.
    Sie nahmen Speed, gingen montags ins Astoria, mittwochs ins Heaven, donnerstags ins Clink, sie fälschten ihre abgelaufenen Monatskarten, fuhren mit dem Nachtbus nach Hause, hörten die Cocteau Twins und Art of Noise und lernten alle möglichen Leute kennen.
    Klamotten spielten eine wesentliche Rolle in ihrem Leben, und wer zuerst aufstand, nahm sich die besten. Unter der Anleitung der Jungen, die über ein enzyklopädisches Wissen über das richtige Aussehen verfügten, lernte Lisa schnell, sich mit berückender Wirkung zurechtzumachen.
    Geraint bedrängte sie, auf dem Straßenmarkt in Camden ein rotes, eng anliegendes Stretchkleid zu kaufen, das am Oberschenkel geschlitzt war. Dazu trug sie rot-weiß gestreifte Strumpfhosen. Die dazugehörige

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