Sushi Für Anfaenger
Mittagspause auf der Damentoilette die Beine rasiert und sie mit blutigen Kratzern unbekümmert der Welt gezeigt. Ashling hatte fast alle ihre Pflaster herausrücken müssen.
Lisa eilte weiter und tat so, als hätte sie nicht gesehen, wie Ashling sie winkend einlud, sich dazuzusetzen.
Anscheinend hatte das gute Wetter auch Ashling auf die Idee gebracht, ihre Beine zu enthaaren, denn Lisa hatte gehört, wie Ashling einen Termin für eine Wachsbehandlung in der Mittagspause machte. Offenbar legte sie es nicht darauf an, eine Gratisbehandlung zu bekommen, und war bereit, wie jede normal Sterbliche den vollen Preis zu bezahlen. Aber wenn Ashling nicht so gewieft war, ihre Position als stellvertretende Chefredakteurin zu nutzen - besser gesagt, zu missbrauchen -, dann war es nicht Lisas Aufgabe, sie darüber aufzuklären.
Die Chance, dass Lisa jemandem wie Ashling Freundlichkeit entgegenbringen würde, war von Anfang an gering gewesen, aber seit Ashling sie beim Weinen ertappt und ihr mit einer gewissen Zärtlichkeit geholfen hatte, war Lisa sehr gegen sie eingenommen.
Sie war auch gegen Mercedes eingenommen, aber aus ganz anderen Gründen. Die stille, in sich ruhende Mercedes verstörte sie.
Als Ashling nach dem Gespräch mit dem Kosmetiksalon den Hörer aufgelegt hatte, brachte Lisa die ganze Belegschaft zum Lachen, indem sie sagte: »Jetzt bist du dran, Mercedes. Es sei denn, Affenbeine sind diesen Sommer der letzte Schrei.«
Mercedes warf Lisa einen bösen Blick zu, so böse, dass Lisa ihre nächste Bemerkung, dass nämlich die dunkelhäutige Mercedes der ideale Typ für Koteletten und einen Oberlippenbart war, nicht über die Lippen brachte. »He, war nur ein Witz«, sagte Lisa mit einem süffisanten Lächeln und stellte Mercedes damit nicht nur als haarig, sondern auch noch als humorlos dar.
Um sowohl Ashling als auch Mercedes das Leben schwerzumachen, war Lisa besonders reizend zu Trix. Mit dieser Methode, die sie, nach dem Motto »teile und herrsche«, auch schon früher angewandt hatte, erwarb sie sich Macht. Man erkor eine Mitarbeiterin zum Liebling, überschüttete sie mit Freundlichkeit, ließ sie dann plötzlich sitzen und schenkte einer anderen seine Gunst. Indem man das reihum machte, flößte man Liebe und Furcht ein.
Jack war davon ausgenommen; zu ihm, so nahm sie sich vor, würde sie die ganze Zeit nett sein. Er war der Einzige in ihrem Leben, der ihr Hoffnung gab. Sie hatte diskret sein Verhalten ihr gegenüber beobachtet, und es war anders als bei den anderen Frauen in der Redaktion. Auf Trix reagierte er amüsiert, zu Mercedes war er höflich, und gegen Ashling schien er eine klare Abneigung zu hegen. Doch Lisa begegnete er mit Respekt und Anteilnahme. Sogar mit Bewunderung. Und dazu hatte er auch allen Grund. Sie war in dieser Woche noch früher aufgestanden als sonst und hatte sich noch mehr Mühe mit ihrem ohnehin schon gepflegten Äußeren gegeben, indem sie mehrere hauchdünne Schichten einer Bräunungscreme auflegte, die ihrer Haut ein goldenes Leuchten verlieh.
Lisa machte sich keine Illusionen über ihr Aussehen. In ihrem natürlichen Zustand - in dem sie sich schon lange nicht mehr gezeigt hatte - war sie durchschnittlich hübsch. Doch mit großem Aufwand konnte sie sich von einer attraktiven Frau in eine atemberaubende verwandeln.
Abgesehen von der Aufmerksamkeit, die sie normalerweise ihrem Haar, ihren Nägeln, ihrer Haut, ihrem Make-up und ihrer Bekleidung widmete, nahm sie enorme Mengen an Vitaminen ein, trank sechzehn Gläser Wasser am Tag, schnupfte nur ganz selten Kokain und ließ sich alle sechs Monate Botulin in die Stirn spritzen, das die Muskeln lähmte und für ein faltenfreies Aussehen sorgte. Seit zehn Jahren war sie permanent hungrig. So hungrig, dass sie es kaum noch bemerkte. Manchmal träumte sie davon, ein dreigängiges Menü zu essen, aber die Menschen träumten ja von den merkwürdigsten Dingen!
Obwohl Lisa ein gutes Selbstbewusstsein hatte, was ihr Aussehen anging, musste sie zugeben, dass ihr der Anblick von Jacks Freundin einen kleinen Schock versetzt hatte. Sie hatte angenommen, sie würde gegen eine Irin antreten, was ein Kinderspiel gewesen wäre. Trotzdem, sie war nicht sonderlich entmutigt. Jack seiner leidenschaftlichen, exotischen Freundin zu entreißen war in ihrem gegenwärtigen Leben eine eher geringe Herausforderung.
Eine Wohnung zu finden hingegen war viel schwieriger. Jeden Tag hatte sie sich nach der Arbeit Wohnungen angesehen, doch bisher war
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