Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
Lillis eigene Persönlichkeit, eine Mischung aus fröhlichen kleinen Teppichen, riesigen Fotografien von ihr selbst als jungem Starlet und zahlreichen Andenken, die sie auf ihren Reisen gesammelt hatte – von japanischen Kostümpuppen bis zu ihrer ultimativen Kollektion von Eierbechern. Aus der winzigen Küche drang der Geruch von frisch gebrühtem, starkem Kaffee und die ganze Wohnung war derart überheizt, dass Daisy ganz schwach wurde, obwohl sie nur ein leichtes Leinenkostüm trug.
»Setzen Sie sich, setzen Sie sich«, forderte Lilli sie auf,
und gab Daisy einen kleinen Schubs an ihre gepolsterte Schulter. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ich hatte schon einen im Büro, bevor ich herfuhr«, erklärte Daisy.
»Na gut, aber ich genehmige mir einen. Ich werde vor einem Auftritt immer so nervös.«
»Und wie lief das Interview mit dem Bugle ?«, erkundigte sich Daisy und ließ sich, so gut es ihr enger Rock erlaubte, auf der Kante eines braunen Tweedsessels nieder.
»Fantastisch. Ich konnte der Dame so viel über die alten Tage im Tivoli erzählen. Obwohl es mich schon sehr überrascht hat, dass die junge Reporterin nicht persönlich bei mir vorbeikommen konnte. Sie wollte ihre Fragen nur telefonisch stellen. Ich wette, diesen verkrüppelten Pudel haben sie nicht übers Telefon interviewt!«, fügte Lilli hinzu. Sie war mit einer Tasse bitterem schwarzem Kaffee aus der Küche aufgetaucht.
»Dürfte wohl schwer sein, einen Pudel ans Telefon zu bekommen. Das geht nur von Angesicht zu Angesicht«, klärte Daisy sie auf.
»Ha! Man sollte es überhaupt lassen! Einfach lächerlich, dass sie in der einen Woche über diesen Pudel schreiben und in der nächsten ein Interview mit Lilli Hammer, seit über fünfzig Jahren Star von Bühne und Film, bringen.«
Daisy wurde von der Türklingel errettet. Der Pressefotograf vom Baulkham Hills Bugle sah sehr alt und sehr müde aus, aber immerhin schleppte er zwei äußerst professionell aussehende Kamerataschen herum. Er überflog die Wohnung mit einem Blick.
»Ich glaube, wir gehen lieber auf den Balkon, da haben wir besseres Licht«, quetschte er gähnend heraus.
Insgeheim musste Daisy ihm beipflichten. Es wäre sehr schwer, eine vernünftige Aufnahme von Lilli zustande zu bringen, in diesem knalligen Kaftan und mit all dem bunten
Krimskrams, der ihre Wohnung verstopfte. Lilli teilte seine Meinung mitnichten.
»Draußen in der Sonne?«, krächzte sie erschrocken.
»Jawohl«, beharrte der Fotograf.
»Junger Mann, Sie sorgen besser dafür, dass ich gut aussehe. Eine Frau in meinem reifen Alter verbringt nicht mehr viel Zeit im Tageslicht.«
»Ich verspreche Ihnen, Sie werden fantastisch aussehen. Besser, als wenn Sie in den Spiegel schauen. Ich werde ein paar Filter benutzen, dann kriegen wir das schon hin.«
Daisy, die das Gefühl hatte, dass Lilli sich in Expertenhänden befand, entspannte sich ein wenig. Alles, was sie jetzt noch tun musste, war, den Tee aufzusetzen und ein bisschen aufzupassen, dass Lilli nicht ein paar karottenrote Haare ins Gesicht flatterten oder ihr der Kaftan versehentlich von einer faltigen Schulter rutschte. Lilli selbst aalte sich genüsslich im Visier der Kamera. Daisy konnte sehen, dass sie am liebsten stundenlang weitergemacht hätte. Doch der Fotograf war schon nach zwanzig mageren Minuten fertig.
»Vielleicht noch ein paar Innenaufnahmen? Vor einem meiner hübschen Poster etwa, die mich am Beginn meiner Karriere zeigen?«, flehte Lilli.
»Wir wären Ihnen aufrichtig dankbar, wenn Sie noch ein paar klitzekleine Aufnahmen vor den Postern machen könnten«, echote Daisy vorsichtig. Fotografen hielten sich nämlich für Künstler und die fasste man besser mit Samthandschuhen an. Sie hassten es, wenn man ihnen Vorschläge machte, wie sie ihre Arbeit am besten erledigten. Daisy merkte jedoch, wie wichtig es für Lilli war, vor ihren alten Promoaufnahmen zu posieren – Fotos, auf denen sie noch ein richtiges Kinn und junge, strahlende Augen gehabt hatte. Ein paar Aufnahmen mehr würden für die alte Dame die Welt bedeuten. Sie fragte sich, wie sie an das Mitgefühl des Mannes appellieren sollte, ohne dass Lilli es bemerkte. Sie
versuchte es mit einem gewinnenden Lächeln und ein paar gemurmelten Worten, von wegen, wie sehr sie seine Arbeiten schätzte, wann immer sie den Baulkham Hills Bugle zur Hand nahm – was nicht mal gelogen war, da sie ihn ja nie zur Hand nahm.
»Also gut«, gab er mürrisch nach. Daisy schenkte ihm ein
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