Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
dir nicht einfach einen netten, anständigen Mann suchen?«, wiederholte Clare spöttisch die ihr sooft gestellte Frage.
»Du hast gut lachen, aber wieso nicht? Was ist daran auszusetzen, einen Mann zu lieben, der einen ebenfalls liebt? Du verdienst weiß Gott was Besseres als Leo. Außerdem glaube ich, es würde dir nichts schaden, mal eine Zeit lang allein zu verbringen.«
»Na, du hast leicht reden, mit deinem Mann, den zwei Kindern und dem gemütlichen kleinen Haus hinter dem Gartenzaun«, grunzte Clare.
»Aber ich hab das alles nicht erreicht, indem ich mich dauernd in Männer verliebte, deren Egos größer als dieses Haus sind«, erinnerte sie Isobel.
»Stimmt, aber du weißt ja vielleicht, was man über männliche Egos sagt«, meinte Clare grinsend. »Direkt proportional zur Größe ihres …«
»Ach, Unsinn«, erklärte Isobel und pflasterte Clare mit Spülschaumflocken.
Clare nahm noch einen Schluck Rotwein. »Und wie läuft’s bei dir? Ich hab nicht viel mitbekommen von Ellen und Alex, bevor sie ins Bett mussten.«
Isobel starrte düster ins Spülwasser. »Den Kindern geht’s prima. Ellen scheint sich in ihrem neuen Kindergarten wohl zu fühlen, und Alex wird ab dem nächsten Jahr zwei Tage bei Baby Stepps verbringen, dieser neuen Kindertagesstätte mit dem Schwerpunkt auf einer besonders intensiven VorschulVorbereitung. Das heißt, ich hab dann ein bisschen Zeit für mich selbst – in der ich die Hausarbeiten erledigen kann, mit denen ich ohnehin schon so im Hintertreffen bin. Ist also eine gute Sache für mich.«
Clare grinste und wollte gerade eine spöttische Bemerkung über intensive Vorschulvorbereitung von knapp Zweijährigen machen, als ihr plötzlich auffiel, dass Isobel sich reichlich merkwürdig benahm. Sie hatte den Kopf sinken lassen und stieß Laute aus, die alarmierend nach Schluchzen klangen. Schockiert erkannte Clare, dass Isobel weinte.
»Was ist los, meine Schöne? Was ist passiert? Ist es Phil? O mein Gott, er lässt dich doch nicht etwa sitzen? Nicht mit zwei Kindern und einem gefräßigen Hund!«
Isobel, die den Kopf verzweifelt über die Spüle hängen ließ, machte eine eigenartig zuckende Bewegung mit den Schultern.
»O Gott, Iso, du meinst es wirklich ernst«, sagte Clare.
»Manchmal«, murmelte Isobel, »wünschte ich, Phil würde mich wirklich sitzen lassen, dann würde zumindest etwas – irgendetwas – in meinem Leben passieren. Ich fühle mich wie eins von diesen Gepäckabholbändern am Flughafen, immer rundherum, rundherum, immer dasselbe, Tag für Tag. Sechsuhrdreißig: Der Wecker klingelt; Phil, der fragt: ›Hast du gut geschlafen, Schatz?‹; Kinder, Frühstück machen, Einkaufen; Phil, der fragt: ›Wie war dein Tag, Schatz?‹, Fernsehen, Bett, Sex an Sonntagen …«
Clare war verblüfft. Sie wusste, dass Isobel auch ihre schlechten Tage hatte, das hatte ja schließlich jeder. Eine kleine, unregelmäßige Depression war kein Grund zur übermäßigen Sorge – zwei Reihen Trauben-Nuss-Schokolade und ein gutes Schläfchen, und die Sache war wieder vorbei.
Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass Isobel einmal den Hausfrauenkoller bekommen könnte. Trotz ihrer Ängste und Klagen war Isobel Clares Ansicht nach eine leidenschaftliche Hausfrau und Mutter.
Isobel leitete das »Familienunternehmen« wie einen effizienten militärischen Feldzug. Sie war die Art Mutter, die die Säfte der Kinder am Abend vor einem Familienausflug einfror,
damit sie nachher den ganzen Tag über kühl blieben. Sie machte Safteis am Stiel und zuckerfreie Müslikekse für unterwegs. Alles bekam bei ihr eingenähte Namensschildchen, selbst die Lätzchen der Kinder. (Clare scherzte oft: Falls es einmal jemandem einfiele, Menschen mit Microchips zu versehen, dann wäre Isobel die Erste, die sich mit ihren beiden Kindern nach vorn drängeln und die Krägen der selbst gestrickten, rein wollenen Pullis der Kleinen zum Zwecke der Einstempelung zurückreißen würde.)
Vielleicht ging’s ja wieder einmal um die Nachwuchsfrage. Isobel und Phil wünschten sich ein drittes Kind. Die Frauen, die in den grünen Vororten wohnten, hatten oft drei Kinder. Es war eine Art Rangabzeichen der oberen Mittelklasse: Ich brauche nicht arbeiten zu gehen, mein Mann hat genug Geld, ich kann mir den besten Friseur leisten und auf dem Weg zur Tennisstunde rasch meine Kinder beim Kindergarten abliefern.
Nun jedoch machte sich Clare ernsthafte Sorgen um Isobel, die nach wie vor jämmerlich ins Spülwasser
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